Dämonisches Tattoo
nicht sonderlich groß, dabei aber vollkommen überladen mit Rüschen, Blümchenstoffen und kitschigen Porzellanfiguren. Kitsch und Tand hatten die Räume bis in den letzten Winkel erobert. Ein wenig erinnerte ihn das alles an das Haus seiner verstorbenen Großmutter, in dem er früher oft seine Ferien verbracht hatte. Umso erstaunlicher war es, dass hier eine junge Frau leben sollte. Trotzdem war es der beste Unterschlupf, den sie hatten finden können.
»Haben Sie auch die Sachen besorgt, um die ich Sie gebeten habe?«
Kate, die dabei war, die Preisschilder und Etiketten aus den Klamotten zu schneiden, deutete mit dem Kopf in Richtung Esstisch. »Alles da.«
Während sie im Bad verschwand, breitete Chase den Stadtplan aus und machte sich daran, die jeweiligen Tatorte mit einem Kreuz zu markieren. Ihren eigenen Aufenthaltsort kennzeichnete er mit einem Kringel. Sobald er alle Markierungen gesetzt hatte, trat er einen Schritt zurück und ließ den Plan auf sich wirken. Das Haus lag perfekt. Sämtliche Morde waren im Umkreis von zwanzig Meilen passiert. Wenn der Killer seinen Wirkungskreis nicht plötzlich wechselte, hatten sie hier einen idealen Ausgangspunkt, um sich auf die Suche nach ihm zu begeben.
Plötzlich stand Kate neben ihm und sah ihm über die Schulter. »Wie wollen Sie den Kerl finden?«
Er war so sehr in Gedanken versunken gewesen, dass er nicht gemerkt hatte, wie die Zeit vergangen war. Als er jetzt aufsah, hätte er sie fast nicht wiedererkannt. »Was ist mit Ihren Haaren passiert?«
»Tönung. Je weniger ich mir selbst ähnle, desto leichter kann ich mich draußen bewegen, ohne dass mich jemand erkennt.«
Ihr vormals blondes Haar hatte jetzt einen warmen Braunton. Abgesehen davon, dass sie mit dieser Haarfarbe und ohne Make-up tatsächlich niemand mehr erkennen würde, stand ihr die Farbe. Sie ließ ihre Züge weicher wirken.
»Also?«, hakte sie nach.
»Ich muss versuchen diesen Link zu aktivieren, der mich mit ihm verbindet«, überlegte Chase laut. »Wenn es mir gelingt, durch seine Augen zu sehen, erkenne ich vielleicht etwas, das mich zu ihm führen kann.«
»Was soll das sein?«
Er zuckte die Schultern. »Eine Kirche, ein Straßenschild, eine U-Bahn-Station. Irgendwas. Ich müsste ihn nur erwischen, wenn er sein Haus verlässt. Wenn es dort irgendetwas Auffälliges gibt, wäre ich ihm ein gewaltiges Stück näher. Ich könnte die Gegend überwachen und hoffen, dass er auftaucht. Dann haben wir ihn.«
»Sie wissen, wie er aussieht?«
»Nein.« Das war ein Problem, für das er noch keine Lösung hatte – mal davon abgesehen, dass er noch nicht so recht wusste, wie er diese Verbindung herstellen sollte. Selbst wenn er wusste,
wo
sich der Killer aufhielt, wusste er noch nicht, wer es war. Es konnte jeder sein, der ihm auf der Straße begegnete. »Vielleicht kann ich ihn beim nächsten Mal genauer sehen.« Bei seiner letzten Vision, sofern man es so nennen wollte, hatte er zwar ein Gesicht im Spiegel erblickt, doch abgesehen davon, dass es sich mit seinen Zügen überlagert hatte, war es zu verschwommen gewesen, um mehr zu erkennen. »Ich werde etwas finden«, sagte er mehr, um sich selbst zu überzeugen. »Irgendein Merkmal, das sich wiedererkennen lässt.«
»Wollen Sie es jetzt gleich versuchen?«
»Je eher es mir gelingt, umso besser.« Er sah sich nach einem geeigneten Platz um und entschied sich für den Sessel. Falls er die Kontrolle verlor, würden ihn die Seitenlehnen aufrecht halten. Als er sich setzte, versank er beinahe in den weichen Polstern.
Kate betrachtete ihn noch einen Moment nachdenklich, dann zog sie den Laptop aus ihrer Handtasche. »Wenn Sie mich brauchen, sagen Sie Bescheid.«
Den Kopf in den Nacken gelegt starrte er an die Decke und hatte nicht die geringste Ahnung, wie er diese Verbindung aufbauen sollte. Hinter ihm saß Kate am Esstisch und tippte. Die regelmäßigen Tastenanschläge beruhigten ihn und versetzten ihn in eine Art Trance. Er schloss die Augen und versuchte sich ins Gedächtnis zu rufen, wie es sich angefühlt hatte, in die Haut eines anderen zu schlüpfen. Das Erste, woran er sich erinnerte, war ein Gefühl der Leichtigkeit, nicht länger Teil seines Körpers zu sein, gefolgt von der Erinnerung an die Machtlosigkeit, die es mit sich gebracht hatte, keine Kontrolle über den fremden Körper zu haben. Gefangen und ausgeliefert, so hatte er sich gefühlt und das hatte ihm eine Scheißangst eingejagt.
Er hatte die Emotionen eingefangen, die
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