Dämonisches Tattoo
der Pulsschlag dieser alten Häuser. Vollkommen normal, kein Grund zur Beunruhigung. Sie musste wirklich aufhören sich verrückt zu machen. Beinahe wäre es ihr gelungen, ihre Gelassenheit zurückzuerlangen, dann jedoch war von unten ein Schaben zu hören. Kate fuhr herum. Ganz gleich, wie sehr sie auch versuchte, es sich einzureden, dieses Geräusch hatte weder etwas mit Holz noch mit einem alten Haus zu tun – mit Schuhsohlen, die über den Boden schleiften, schon eher.
Das war der Wind, das ist alles. Nur der blöde Wind.
Sie könnte noch eine Stunde damit verbringen, nach harmlosen Erklärungen zu suchen, beruhigen würde sie nichts davon.
Was, wenn
er
zurückgekommen war? Womöglich hatte er sich irgendwo versteckt gehalten und war zurückgekehrt, sobald Chase auf die Straße gelaufen war. Zurückgekehrt, um zu vollenden, was er begonnen hatte.
So oder so, sie musste sich Gewissheit verschaffen. Mit einem raschen Blick zurück zur Tür ging sie ins angrenzende Bad und riss ein paar Schubladen auf. In einer fand sie eine Rasierklinge und kehrte damit ins Schlafzimmer zurück. Vorsichtig, um sich nicht selbst zu verletzen, und trotzdem so schnell wie möglich durchtrennte sie die Fesseln der Frau. Sie warf die Klinge auf das Fensterbrett und streifte die Stricke von den Handgelenken des Opfers.
»Ich gehe jetzt nach unten«, erklärte sie schnell. »Vermutlich war es nur ein Luftzug, trotzdem werde ich nachsehen. Können Sie aufstehen?« Als die Frau nickte, fuhr sie fort: »Gut. Ich möchte, dass Sie die Tür hinter mir abschließen. Wenn Sie können, schieben Sie eine Kommode davor und öffnen Sie nicht, bevor ich nicht Entwarnung gebe. Verstanden?«
Wieder ein Nicken.
Kate riss die Taschenlampe von der Kommode und trat auf den Flur hinaus. Sie warf einen Blick über die Schulter und stellte erleichtert fest, dass die Frau, deren Namen sie nicht einmal kannte, es tatsächlich geschafft hatte, aufzustehen und sich jetzt an die Wand gestützt vorwärtsbewegte. Kate zog die Tür hinter sich zu und hoffte, dass die andere die Kraft finden würde abzuschließen.
Sie überquerte den Flur. Am oberen Ende der Treppe blieb sie stehen und spähte nach unten. Nichts zu sehen. Sie lauschte, doch der einzige Laut war ein leises Klicken an der Schlafzimmertür, als die Frau sie verriegelte. Kate wartete darauf, das Scharren eines Möbels zu hören, das über den Boden geschoben wurde, doch das Geräusch blieb aus. Dazu schien der Frau die Kraft zu fehlen. Dann musste das eben genügen.
Kate zählte langsam bis zwanzig. Nachdem sie bis dahin immer noch nichts gehört hatte, betrat sie die oberste Stufe. Von hier aus hatte sie die Haustür im Blick, sie war tatsächlich zugefallen.
Ihre Finger klammerten sich um die Stablampe, dankbar dafür, dass sie so groß und schwer war. Kate hatte nicht vor, sie anzuschalten, sie wollte nicht unnötig auf sich aufmerksam machen, aber wenn es sein musste, würde sie damit zuschlagen.
Die Schulter an die Wand gepresst schob sie sich langsam voran. Stufe um Stufe stieg sie nach unten. Nach jedem Schritt hielt sie kurz inne und lauschte, ehe sie ihren Fuß auf die nächste Stufe setzte. Sie war beinahe unten angekommen, als sie es erneut hörte. Ein Scharren. Etwas, das über Fliesen strich. Die Küche. Es kam aus der Küche! Sie versuchte zu lauschen, doch ihr Herz wummerte so laut, dass sie kaum noch etwas anderes hörte. Mit einem Schlag sprang die Haustür weit auf und knallte gegen die Wand dahinter. Kate sprang zurück, stolperte über eine Stufe und fiel. Ihr Blick war auf die Tür geheftet. Sie hoffte Chase auf der Schwelle zu sehen, doch abgesehen von ein paar Blättern, die der Wind hereintrug, war da nichts. Die Tür war nicht richtig im Schloss eingerastet gewesen und bei der ersten Brise aufgeflogen. Das war alles. Kein Grund zur Panik.
Ihr rasender Puls sah das anders. Vermutlich würde sie der Schlag treffen, lange bevor sie herausfand, woher die Geräusche kamen.
Bei ihrem Sturz hatte sie sich den Ellbogen angeschlagen, was höllisch wehtat, trotzdem rappelte sie sich wieder auf und griff nach der Lampe, die neben ihr auf den Boden gefallen war. Sie holte noch einmal tief Luft und zwang sich weiterzugehen. Was würde sie darum geben, wenn Chase jetzt hier wäre! Immer wieder zuckte ihr Blick zur Haustür in der Hoffnung, dass er jeden Augenblick dort auftauchen würde, doch abgesehen von der Dunkelheit und dem wieder einsetzenden Regen war nichts zu sehen.
Kate
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