Daisy Goodwin
ohne Herrin. Die
Diener werden schrecklich nachlässig. Als Herzogin Fanny noch hier war, war
alles um einiges schmucker.»
«Ich kann
nicht behaupten, die nächste Herzogin zu beneiden, wenn ihre Pflichten darin
bestehen, sich darum zu kümmern, dass die Diener ihr Haar ordentlich pudern.
Ich halte das ohnehin für eine lächerliche Angewohnheit. Warum nötigt man die
Dienerschaft, eine Mode zu übernehmen, die ihre Herrschaft vor mehr als einem
Jahrhundert abgelegt hat?» Cora klang recht scharf. Sie hatte gänzlich
vergessen, dass die Diener ihrer Mutter ebenfalls vorsintflutliche Frisuren
trugen.
«Oh, Miss Cash, Sie sind ein so
modernes Mädchen. Aber ich denke, Sie unterschätzen, wie sehr wir Engländer
unsere Traditionen lieben. Ich bin sicher, dass der Diener sehr stolz auf sein
schneeweißes Haar und seine Kniehosen ist. Darum geht es für einen Diener ja
gerade, dass man ganz prächtig und nach Ancien Regime aussieht. Sie
haben im Dienstbotenzimmer einen hohen Rang und werden auch so bezahlt.
Möchten Sie diese wunderbaren Wesen wirklich auf den Boden der Tatsachen holen
und sie nötigen, ungepudert in grauem Tuch zu gehen?»
«Ich glaube
schlicht, dass sie es vorziehen würden.»
Der Diener, um den es ging, tat Cora
etwas Soße auf. Sie wandte sich ihm zu und sagte: «Wie heißen Sie?»
Der Diener
errötete und sagte: «Thomas, Miss.»
«Darf ich
Sie etwas fragen, Thomas?»
«Selbstverständlich, Miss», sagte er
ohne sichtlichen Widerwillen.
«Gefällt es Ihnen, jeden Tag Ihr
Haar zu pudern? Wie würde es Ihnen gefallen, wenn Sie Ihr Haar ganz natürlich
tragen könnten?»
Der Diener sah auf den Boden und
murmelte: «Sehr gut, Miss.» Cora sah Reggie triumphierend an, aber dann fuhr
der Diener fort: «Es würde bedeuten, dass ich zum Butler gemacht worden wäre.
Wenn Sie mich jetzt bitte entschuldigen, Miss, es muss noch serviert werden.»
Cora nickte und kam sich ein
bisschen dumm vor. Aber Reggie war taktvoll und wechselte geschickt das Thema.
Als das Essen sich dem Ende näherte,
sah der Herzog Mrs. Cash an und sagte: «Mrs. Cash, darf ich Sie in Ermangelung
einer Gastgeberin bitten, die Damen in den Salon zu geleiten. Bitte
entschuldigen Sie die Zumutung, es wird nur noch einen Tag lang so sein.
Übermorgen wird meine Mutter mit meiner Stiefschwester Sybil hier eintreffen.»
«Oh, wie reizend, Herzog. Ich würde
sie so gerne kennenlernen, aber ich fürchte, dass Cora und ich Ihrer Gastfreundschaft
nicht länger zur Last fallen können. Wie Sie sehen, hat sie sich gut erholt,
und wir sollten wirklich nach Sutton Veney zurückkehren.» Mrs. Cashs Worte waren
nachdrücklicher als der Tonfall, in dem sie sie aussprach.
Der Herzog nahm die Herausforderung
an.
«Aber meine liebe Mrs. Cash, meine
Mutter hofft so sehr, Sie und Ihre Tochter kennenzulernen. Sie wird enttäuscht
sein, Sie hier nicht vorzufinden, nachdem sie den Weg aus Conyers hierher
gemacht hat. Und um ehrlich zu sein, Mrs. Cash, die Enttäuschung meiner Mutter
ist nicht leicht zu ertragen. Wenn Sie also nicht sehr dringende Verpflichtungen
haben, darf ich vielleicht auf Sie einwirken und Sie bitten, noch eine Woche
oder doch ein paar Tage zu bleiben. Es wäre mir ein Vergnügen, Miss Cash
mehr von Lulworth zu zeigen als den Wald, in dem sich ihr Unfall zugetragen
hat.»
Mrs. Cash
hatte durchaus die Absicht zu bleiben, und die letzte Bemerkung des Herzogs war
geradezu ermutigend. Sie verstand sie als Interessensbekundung und sah zu Cora
hinüber, um festzustellen, ob ihr das auch aufgefallen war. Aber Cora sprach
mit dem jungen Mann zu ihrer Linken – etwas zu lebhaft, wenn es nach Mrs. Cash
ging – und hatte nicht zugehört. Mrs. Cash räusperte sich und stand auf.
«In dem
Fall, Herzog, lassen Sie mir keine Wahl, als Ihre sehr freundliche Einladung anzunehmen;
es wäre mir ein Graus, die Herzogin enttäuschen zu müssen. Ich werde Lord
Bridport heute Abend schreiben. Meine Damen, sollen wir?»
Der Herzog erhob sich, um die Tür zu
öffnen. Als Cora an ihm vorbeiging, sah er sie an und lächelte, diesmal ohne
Vorbehalt. «Sie müssen mir gestatten, Ihnen Lulworth zu zeigen, sobald Sie sich
wohl genug befinden, Miss Cash.»
«Es wäre mir eine Freude, aber ich
bestehe auf Pfeil und Bogen.» Cora nahm ihre Schleppe und folgte ihrer Mutter
die Treppe hoch.
Als die
Diener alles abgeräumt und den Portwein gebracht hatten, verbeugte sich der
Sekretär und entschuldigte sich. Auch Pater Oliver stand auf und verbeugte sich
vor
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