Daisy Sisters
hier plötzlich auf die Idee kommt, ihn auch anzubrüllen?
Er verdrückt sich in die Küche. »Weshalb schreien die so?«, fragt er.
»Weiß nicht«, antwortet Anders.
Nein, worüber streiten sie nur? Es hört sich an, als ginge es um einen Haufen Dinge. Darum, dass Elna ihrer Tochter überhaupt nicht nachspioniert. Darum, dass sie sich sorgt, weil Eivor sich nicht um ihre Schulsachen kümmert, wobei es doch so wichtig ist, ein gutes Zeugnis zu bekommen … Dann schneidet Eivors Stimme dazwischen. Sie scheiße auf die Schule, sie warte nur darauf, dass sie zu Ende ist, damit sie anfangen kann zu arbeiten. Niemand kann sie zwingen, auf die Realschule zu gehen, niemand … Wovon will sie dann aber leben? Begreift sie denn nicht, dass sie etwas lernen muss? Begreift sie nicht, dass sie, Elna, was auch immer dafür gegeben hätte, in die Schule zu gehen, als sie jung war?
»Weil du ein Kind gekriegt hast …«
»Werd nicht frech, Kind!«
Und dann knallt eine Ohrfeige, man hört ein Schluchzen, Eivor weint, und Elna kommt in die Küche, und da fängt auch sie an zu weinen.
Herrgott, welch ein Aufruhr! Was für ein Nachmittag! Der Tag hatte so gut angefangen mit schönem Frühlingswetter und einer neuen Hose.
Der Alte und der Ausreißer starren sich an. Sie befinden sich in einer Art Niemandsland mitten zwischen den weinenden Frauen. Unsicher bleiben sie im Flur stehen. Dort haben sie den Überblick über die Kammer und über die Küche.
»Wofür hast du sie ins Haus geholt?«, schimpft Anders. Da er nun die Kontrolle über die ganze Situation verloren hat, findet er keinen besseren Ausweg, als seinen zufälligen Untermieter anzuschreien.
»Fahr zur Hölle«, bekommt er zur Antwort. Jetzt ist es der Ausreißer, der in seiner gewohnten Sprache spricht. Der Alte soll sich nur ja nichts einbilden.
Lasse Nyman geht zu Eivor hinein, die zusammengekrümmt auf dem Boden sitzt und weint, und Anders schwankt auf Elna zu, die auf einem Stuhl sitzt, den Kopf zwischen den Händen.
Lasse Nyman hat keine Ahnung, wie man jemanden tröstet. Er ist selbst nie getröstet worden. Und wie zur Hölle soll man dieses Geschrei abstellen? Die einzige Erfahrung, an die er sich halten kann, ist eine Ohrfeige, gefolgt von dem gebrüllten Befehl, Ruhe zu geben. Aber er zögert, er kann dieses Mädchen hier doch nicht schlagen. Er muss sich zurückhalten, er ist ja auf der Flucht. So sammelt er die Karten zusammen und fängt an, eine Patience zu legen.
Anders stellt sich hinter Elna und klopft ihr auf die Schulter. Sie zuckt nicht zurück, als sie seine Hand spürt, aber sie hört auch nicht auf zu weinen. Er bleibt stehen, klopft ihr leicht auf die Schulter, ohne etwas zu sagen.
Nach einer Weile kommt Eivor in die Küche, setzt sich auf den Spülstein und starrt vor sich hin. Lasse Nyman taucht im Flur auf und wirft einen Blick in die Küche, aber die Stilleist ihm so unbehaglich, dass er sich hastig wieder zu seinen Karten zurückzieht. Elna trocknet ihr Gesicht und schaut aus dem Fenster, genau auf die Art, wie Anders es so oft getan hat. Er fühlt sich unwohl, er macht, dass er auf den Hof kommt, um gegen die Hauswand zu pissen. Dann bleibt er zögernd stehen. Soll er wieder reingehen? Wo soll er bleiben? Die Küche ist besetzt, in der Kammer sitzt ein Lümmel und spielt Karten. Schließlich geht er wenigstens in den Flur. In der Küche streiten sich Mutter und Tochter. Obwohl sie merken, dass Anders im Flur steht, brechen sie ihren Streit nicht ab. Sie scheinen der Meinung zu sein, dass er genauso gut zuhören kann.
Elna findet, dass die Tochter sich zu stark schminkt.
»Wie soll ich denn sonst in Filme mit Alterbeschränkung kommen?«
Es ist Elna, die angreift, und Eivor, die sich wütend verteidigt. »Womöglich willst du auch noch, dass ich studiere«, sagt Eivor und streicht sich nervös über die Haare, als ob sie Angst hätte, dass sie verschwinden könnten.
»Ja, natürlich«, antwortet Elna. »Aber geh wenigstens auf die Realschule. Dann kannst du Sekretärin werden.«
»Das will ich aber nicht.«
»Was willst du dann?«
»Den Führerschein machen.«
»Davon kannst du kaum leben.«
»Was ich will, kann ich sowieso nicht werden.«
»Warum nicht?«
»Ich habe zu hässliche Beine. Und eine zu große Nase. Nur die Augen und der Mund sind in Ordnung. Darum male ich sie an. Sie sollen auffallen.«
»Ich finde, du kannst dich nicht beklagen. Und von seinem Aussehen kann keiner leben.«
»Kann man wohl. Wenn man etwas
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