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Dalamay (Mein Leben ging einen anderen Weg)

Dalamay (Mein Leben ging einen anderen Weg)

Titel: Dalamay (Mein Leben ging einen anderen Weg) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Samarkand
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immer noch am Eingang stehen. Madame Florence hatte sich zu ihm gesellt. Nichtsahnend, was geschehen war. Aber es hätte ihnen auch nichts bedeutet. Und so erzählte ich ihnen auch nichts, sondern vergrub mich in meinen Schmerz. Zuerst schickte ich meine Freunde in die Küche, um sich wenigstens einen Becher Wein und eine Suppe geben zu lassen, dann bat ich Jean-Luc, dafür Sorge zu tragen, dass die Pferde versorgt werden sollten. Er sah mich mit hochgezogenen Augenbrauen an. Hatte diese Aufgabe doch nichts mit seinen Pflichten als Butler zu tun. Aber das war mir egal.
    Noch einmal wandte ich mich meinen drei Freunden zu. „Treffen wir uns am Nachmittag gegen vier Uhr an unserem Platz?“ Sie nickten, schauten mich traurig und mitfühlend an, dann gingen sie mit hängenden Schultern davon. Ich blieb noch einen Moment bei den Pferden stehen, streichelte ihre Nüstern und versuchte, mir auf diese Art ein wenig wärmenden Trost zu holen. Es war niemand da, der mich auffangen konnte, niemand, der mich trösten würde. Niemand, der meinen Verlust verstand. Nach nur kurzer Zeit kamen zwei unserer Stallburschen, um die Kutsche wegzufahren und die Pferde zu versorgen.
    Ich drehte mich um und ging ganz langsam, nichts um mich herum wahrnehmend, die Treppe hoch. Zurück ins Haus, zurück in meinen Turm und setzte mich allein, ohne maman Sofie, in meinen Empfangssalon und schaute aus dem Fenster auf meine Insel. Ich kann bis heute nicht wirklich sagen, wie ich mich fühlte. Es kann sogar sein, dass ich gar nichts fühlte, außer einer Leere , die so groß war wie das Meer, das sich vor meinen Augen ausbreitete.
     
    Gegen halb vier ging ich los zu unserem Treffpunkt. Ich hatte mir von der Köchin Yanice Butterkekse, Feigentörtchen, frisches weiches Brot und Käse und vom Mundschenk des Anwesens schweren Rotwein einpacken lassen. Es mag einigen unpassend erscheinen, dass ich in einem solchen Augenblick auch nur einen Gedanken an Essen und Trinken verschwenden konnte, aber ich brauchte Kraft, so viel Kraft wie noch nie in meinem ganzen Leben. Und dafür brauchte ich Nahrung. Denn ich wusste ganz tief in mir drin, dass der Tod meiner geliebten maman Sofie und ihrer Schwester Louisa und von Antoinette und all derer, die ich nicht kennengelernt hatte, die ich aber sicher lieb gewonnen hätte, nicht der einzige Abschied an diesem Tag sein würde. Deshalb hatte ich mich auch für einen schweren Rotwein entschieden. Ein wenig in die Vergessenheit hinab zu sinken, wenn auch nur für kurze Zeit, sollte mir vielleicht vergönnt sein.
    Ich war zu früh an unserem verabredeten Treffpunkt angekommen und so legte ich zwei große Wolldecken auf den Boden, breitete die mitgebrachten Speisen aus, legte Servietten und Gabeln zurecht und entkorkte die erste Flasche Wein, als Heinrich, Alfred und Toby erschienen. Ich hielt inne in meiner Bewegung, setzte die Flasche ab, stand auf und dann waren die drei auch schon bei mir und wir fielen uns in die Arme. Fernab von neugierigen Blicken weinten wir um den Verlust, den wir erlitten hatten. Aber wir weinten auch um den Verlust, der uns schon sehr bald bevorstand. Ich weiß nicht, wie lange wir dort standen und uns festhielten. Aber, ob Ihr es glaubt oder nicht, danach ging es uns besser. Das Leben hatte uns maman Sofie genommen, aber es hatte uns die Zeit und den Raum gegeben, miteinander zu trauern. Nirgendwo sonst hätten wir vier, die wir aus so verschiedenen Welten kamen, auf diese Weise miteinander verbunden sein können, hätten nirgends sonst auf diese Weise miteinander trauern können. Wir setzten uns, kosteten den schweren Rotwein, teilten die mitgebrachten Speisen und erzählten uns noch einmal all die Begebenheiten, die wir mit maman Sofie erlebt hatten. Nur Ceciles Geschichte, maman Sofies jüngerer Schwester, behielt ich für mich.
    Es war bereits dunkel, als Heinrich innehielt und meine Hand nahm. „Sie wissen, dass wir die Heimreise antreten müssen.“ Es war keine Frage, es war eine einfache Feststellung. Ich nickte den dreien zu und erwiderte: „Ja, ich weiß. Und am liebsten würde ich mit Euch kommen. Aber das geht nicht. Ich würde Euch in Gefahr bringen und finden würde man mich sowieso sehr schnell. Wovon sollte ich auch leben?“
    Ein trauriges kleines Lachen ent sprang meiner Kehle. „Ich weiß, dass Ihr bald aufbrechen müsst. Ich bitte Euch nur darum, nicht schon morgen zu fahren.“
    Ich sah ihre Gesichter und wusste, dass das ihr Vorhaben gewesen war.
    „Ich bitte

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