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Damals im Dezember

Damals im Dezember

Titel: Damals im Dezember Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Paul Evans
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schaffen, was ich dir hinterlassen kann.«
    »Und das ist dir gelungen. Aber du hast mir etwas viel Größeres als ein Unternehmen gegeben. Du hast mir Freiheit geschenkt.«
    Er legte die gefalteten Hände vor den Mund und schloss die Augen. Es sah aus, als würde er beten. In dieser Position verharrte er eine ganze Weile, bevor er mich wieder ansah. Er atmete tief ein und dann langsam wieder aus.
    »Gut«, sagte er schließlich. »Tu, was du tun musst. Aber sei vorsichtig, mein Sohn.«
    »Ich will nicht vorsichtig leben«, widersprach ich. »Das ist ein Teil des Problems. Die Menschen klammern sich so fest an ihr Leben, dass sie den Spaß herauspressen. Ich will einfach leben.«
    »Ich will bloß nicht erleben, dass du zu Schaden kommst.«
    »Das wirst du nicht.«
    Seine Augen füllten sich mit Tränen, und ich konnte sehen, dass ihn dies verlegen machte. »Ich hatte mich so auf deine Rückkehr gefreut.«
    »Es tut mir leid, Dad.«
    Er atmete tief ein. »Ich kann dich nicht dazu überreden dazubleiben?«
    Ich schüttelte langsam den Kopf.
    »Dann gibt es vermutlich nichts mehr zu sagen. Ich nehme an, du weißt, wie du an das Geld kommst.«
    »Ich schau noch bei Mike vorbei.« Ich stand auf und ging zur Tür. Dann drehte ich mich noch einmal zu ihm um. »Bye«, sagte ich.
    Von seinen Gefühlen überwältigt, konnte er nicht sprechen, und nickte nur.
    Schnell verließ ich sein Büro und das Gebäude. Ob ich nun fliegen oder abstürzen würde, ich hatte das Nest endgültig verlassen.

Fünfzehntes Kapitel
    Wenn man nicht gerade Ingenieur, Arzt oder Mathematiker ist, lässt sich der Wert einer Entscheidung weniger am Ergebnis als an der Absicht messen.
    Aus dem Tagebuch von Luke Crisp
    Ich wollte gerade mit meinem Auto aus der Parkbucht herausfahren, als Henry an meine Scheibe klopfte. Ich hielt das Auto an und ließ das Fenster herunter.
    »Was ist da gerade passiert?«, wollte er wissen. »Seit dem Tod deiner Mutter habe ich deinen Vater nicht mehr derart erschüttert gesehen.«
    »Ich habe ihm gesagt, dass ich das Unternehmen nicht leiten will.«
    Henry wirkte ein wenig überrascht, aber er nickte verständnisvoll. »Das kann ich verstehen. Es ist eine schwere Bürde.«
    »Genau das habe ich ihm gesagt. Aber er hat es nicht sonderlich gut aufgenommen.«
    »Nein, das kann ich mir vorstellen. Er hat die Übernahme durch dich schon seit Jahren geplant. Möglicherweise schon seit deiner Geburt.«
    »Glaubst du, dass er es packt?«
    »Dein Vater? Natürlich wird er das. Er ist ein Stehaufmännchen. Man baut kein Großunternehmen ohne Plan B auf.«
    »Henry, du kennst ihn. Warum macht er das? Warum leitet er weiter das Unternehmen? Er könnte sein Leben genießen, die Welt sehen, eine neue Liebe finden.«
    »Weißt du, genau die Frage habe ich ihm gestellt, aber er hat mir nie eine klare Antwort darauf gegeben. Ich bin mir nicht sicher, ob er eine hat. Dein Vater kommt aus einem anderen Umfeld als du oder ich. Er kommt aus einer Welt des Mangels, in der man ums Überleben kämpfen musste. Vor allem aber ist dein Vater ein Weltverbesserer. Er ist seit dreißig Jahren das Kindermädchen des Unternehmens.«
    »Ich weiß. Ich habe ihm gesagt, dass Crisp’s kein Wohltätigkeitsunternehmen ist. Er sollte die Firma verkaufen, seinen Gewinn nehmen und neu anfangen.«
    »Genau das habe ich ihm auch gesagt – dass er das GuV-Ergebnis verbessern, verkaufen und das Leben dann wirklich genießen soll –, aber er will ja nicht hören. Er könnte sich eine Jacht kaufen und um die Welt segeln.« Henry neigte den Kopf. »Wer weiß, vielleicht hört er jetzt ja auf dich.«
    »Vielleicht«, sagte ich.
    »Und was tust du jetzt?«, fragte Henry.
    »Ich werde anfangen zu leben. Reisen.«
    »Weißt du schon, wohin?«
    »Überall hin. Wir beginnen mit New York, dann geht’s weiter nach Europa.«
    »Schön für dich, Luke. Pass auf dich auf. Und mach dir um eines keine Sorgen: Ich werde mich um deinen Vater kümmern.«
    »Danke.«
    Er klopfte auf das Dach meines Autos. »Sag nichts davon. Und keine Sorge, alles wird gut laufen.«
***
    Noch während der Fahrt rief ich Candace an.
    »Wie war’s?«, fragte sie.
    »Nicht gut«, antwortete ich. »Mein Vater hatte geplant, dass ich das Unternehmen sofort übernehme. Ich habe ihn wirklich verletzt.«
    »Das tut mir leid.«
    »Mir auch. Er hat das nicht verdient.«
    Nach einem Moment bat sie: »Komm schnell nach New York. Du fehlst mir.«
    »Du fehlst mir auch.«
    »Sean hat unser Zimmer schon über

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