Damaskus im Herzen.. - und Deutschland im Blick
mit Benachteiligung anderer zu tun. Und dort, wo das Imperiumin Gestalt seines Militärapparats einmarschiert, werden die Völker ihm die Stirn bieten. Sie werden Widerstand leisten, um ihre Würde zu retten.
Der Weg ist lang. Wir dürfen nicht zurückschrecken, wenn wir Rückschläge erleiden. In diesem Widerstand für die Menschlichkeit werden wir den Amerikanern sehr nahe sein, brüderlich nahe.
Jesu Christi geniale Idee, die ich eingangs erwähnt habe und die keiner vor oder nach ihm so konsequent formuliert hat, lautete: »Liebet eure Feinde.« Für diese Liebe starb er vor rund 2000 Jahren, und auch im Sterben am Kreuz war er nicht bereit zu hassen. Aber was heißt, er starb. Er lebt noch in den Gedanken und Herzen vieler Menschen.
Wer geliebt wird, stirbt nie.
ANPASSUNG? WORAN BITTE?
M an behauptet, er, der Fremde, werde nicht akzeptiert, weil er sich nicht anpasse. Anpassung ist das Allheilmittel, das Einheimische Fremden anbieten, das aber wie jedes Allheilmittel Humbug ist. Vielleicht hat ein Stamm in der Wüste oder im Urwald durch die Einfachheit seines Lebens und die strenge Bindung aller seiner Mitglieder untereinander klare Vorstellungen von sich, das heißt, von dem Ziel der Anpassung, die der Fremde leisten muss, um als einer der ihren zu gelten. Aber ich kann mich totlachen, wenn ich die Forderung nach Anpassung von Deutschen höre. Anpassung an was bitte? Was ist hier an dem, was die Bevölkerung tut und lässt, so typisch, so lebensnotwendig, dass sich der Fremde daran orientieren muss, um sich und der Gemeinschaft Ärger zu ersparen? Was ist denn deutsch an den Deutschen? Meinen sie ihren Lebensstil, ihre Essgewohnheiten, ihre Kleiderordnung, Schminkrituale, Bücherinhalte, Musik, Filme oder etwa ihre typisch deutschen McDonald’s oder gar die von der UNESCO vergessenen deutschen Denkmäler der Moderne namens Fußgängerzonen?
Was ist deutsch an den Deutschen?
Es kann sein, dass man immer über ein fernes genauere Aussagen machen kann als über das Volk, in dem man lebt. Ich wüsste schnell etwas darüber zu sagen, was ein Italiener, ein Franzose oder ein Libanese ist. Hier mitten unter den Deutschen muss ich jedoch verdammt aufpassen, dass ich einen Südhessen nicht mit einem Nordpfälzer und den um Gotteswillen nicht mit einem Saarländer verwechsle. Das hat zur Folge, dass ich gar keine vernünftige Definition für den Deutschen mehr finde und nur noch auf meine Vorurteile zurückgreife. Und die sehen so aus:
Ein Deutscher ist der beste Schüler und der schlimmste Oberlehrer. Er liegt am liebsten am Strand, um brauner als die Pakistani zu werden. In Kleinigkeiten ist er heldenhaft kompromisslos, bei allen großen Dingen verliert er jedoch den Überblick, und man kann ihn leicht verkohlen. Er jammert über alle, die die Deutschen hassen, doch die größten Deutschenhasser sind die Deutschen selbst. Er leistet in der Regel Gehorsam im Voraus und Widerstand im Nachhinein.
Ich weiß, ich weiß. Alles nur hässliche Vorurteile, aber wie soll ein armseliger Ausländer wissen, was deutsch ist, wenn selbst der geniale Nietzsche das nicht wusste?
Dreißig Jahre in Deutschland prägen einen Ausländer. Ich fange bei jedem Besuch an nachzudenken, was ich dem Gastgeber mitbringen könnte. Nudelsalat nehme ich zwar nicht mit, aber immerhin sind Wein, Bücher oder exotische Früchte in der Regel dabei. In Arabien wäre das undenkbar.
Ich richte mich brav nach den Abfahrtszeiten der Züge, halte meine Termine ein und lache wie die Deutschen beim Leichenschmaus, statt – wie es sich in Arabien gehört – laut zu weinen. Selbst Himbeereis esse ich gerne im Winter, was ein Araber mit gesundem Menschenverstand für völlig verrückt halten müsste.
Doch auf eins kann ich auch nach dreißig Jahren nicht verzichten: auf das Handeln.
Handel ist zwar auch eine Notwendigkeit, aber der Orientale verbindet damit ein Vergnügen, das vielen Deutschen fremd ist. Beim Handeln übt der Orientale folgende Künste aus: Sprechen, Schauspielen, Rhetorik, Kräfte messen und vorallem immer wieder aus einer Sackgasse eine Kreuzung zu zaubern. Als Belohnung schwebt über allem der wirtschaftliche Vorteil. Man muss sich immer vor Augen halten, dass Muhammad ein tüchtiger Händler war, bevor er von Gott zum Propheten berufen wurde, während Jesus Christus Geld und Handel unverbindlich (»Gebt dem Kaiser, was dem Kaiser gehört«) bis ablehnend (Peitschenhiebe für die Händler) gegenüberstand. Meine Theorie,
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