Damian
langen spitzen Eckzähne und unwillkürlich schaudert es ihr. Damian würde ihr nie weh tun, er hat es ihr versprochen. Und Rachel glaubt ihm, trotz allem. Wie soll sie ihm heute begegnen? Soll sie einfach so tun, als wäre nichts geschehen? Hallo, sagen und sich zu ihm setzen, sich vielleicht sogar an ihn anlehnen? Ein spürbares Unbehagen nimmt von ihr Besitz.
Samantha ist eine ungewöhnliche Frau, so ganz anders als sie sich je eine Vampirin vorgestellt hätte. Sie ist nett…aber eigentlich ist sie mehr als das. Sie ist aufgeschlossen, verständnisvoll und sie kann zuhören. Rachel hat Vertrauen zu ihr gefasst, sonst läge sie vermutlich auch nicht mehr in diesem Bett und befände sich längst nicht mehr in diesem Haus, unter einem Dach mit einem Vampir. Rachel hat zu Sam Vertrauen gefasst, weil sie ihr glaubhaft bestätigte, die gleichen Erfahrungen mit ihrem Mann gemacht zu haben. Sie hat ihr gestern so viele interessante und faszinierende Dinge über das Leben als Vampir erzählt und doch fühlte Rachel oft auch Abscheu und Ekel. Sie kann sich nicht vorstellen, wie es ist warmes, menschliches Blut zu trinken. Sicher, jeder kennt diese Situation: man schneidet sich in den Finger und nimmt ihn spontan in den Mund oder man beißt sich unabsichtlich so heftig auf die Lippe, dass sie blutet oder beim Zahnarzt, oder wenn man Nasenbluten hat. So viele Gelegenheiten das eigene Blut zu schmecken und doch kann sie sich nicht vorstellen, was für ein Gefühl es ist, das Blut eines anderen Menschen zu kosten. Rachels setzt sich auf und schaltet die Nachttischlampe an. Sie schaut hinüber zu der großen Kommode aus rotbraunem Holz, Mahagoni vermutlich, und dem großen, antiken Spiegel darüber. Wie es wohl ist, tagein tagaus dasselbe Spiegelbild zu sehen und niemals zu altern. Wie oft hat sie schon vor dem Spiegel gestanden und ihr Gesicht nach den kleinsten Anzeichen des Alters abgesucht. Hier und da mal ein Pickel oder ein Fältchen, das kaum der Rede wert ist oder Ringe unter den Augen von einer durchgearbeiteten Nacht. Damian hingegen sieht immer perfekt aus. Zugegeben, auch bei ihm sind ab und zu Schatten unter den Augen zu sehen oder die Bartstoppel, die sprießen, wenn er sich einen Tag lang nicht rasiert hat. Ansonsten sieht er niemals anders aus. Er sieht seit dreitausend Jahren jeden Tag dasselbe Spiegelbild. Er wird niemals alt werden. Ist das ein Fluch oder ein Segen? , fragt sich Rachel unwillkürlich. Und was er alles erlebt haben muss. Er ist sozusagen ein wandelndes Geschichtsbuch. Ist es schwer mit all dem Wissen der Vergangenheit zu leben? Rachel seufzt. Sie kann sich nicht vorstellen so ein Leben zu führen. Sie will älter werden, heiraten, Kinder haben, erfolgreich in ihrem Beruf sein, Lebenserfahrung sammeln, aber mehr auch nicht. Hat nicht jeder Mensch den Wunsch zu reifen, alt zu werden und auf ein erfülltes Leben zurückschauen zu dürfen? Vielleicht hat sie das Glück sogar Enkelkinder zu haben. Man lebt in seinen Nachkommen weiter, heißt es. Aber ewig leben, ohne sich zu verändern, jedenfalls äußerlich? Nein, das ist für sie unvorstellbar. Rachel zieht nachdenklich die Augen zusammen. Damian wollte auch nicht ewig leben. Er hatte bereits eine Familie und bestimmt auch Pläne für die Zukunft. Er hat sich dieses Dasein nicht ausgesucht. Er wurde von dieser schrecklichen Frau gezwungen ein Vampir zu sein, ohne dass er sich dagegen wehren konnte. Und wenn man genau darüber nachdenkt, dann kann einem Damian eher leid tun, als das man ihn für etwas verurteilt, dass er niemals wollte. Wieder entrinnt Rachel ein tiefer Seufzer. Das Schicksal kann so grausam sein. Schicksal, gibt es das wirklich? Noch nie hat sich Rachel ernsthaft mit diesem Wort auseinander gesetzt. Hat das Schicksal sie beide zusammengeführt? Ihre Mutter ist ganz besessen von diesem Wort. Sie liest aus ihren Karten und Steinen und erkennt das Schicksal eines Menschen. Aber was bedeutet das Wort wirklich? Ist alles nicht doch nur eine zufällige Fügung? Sie weiß es nicht und all diese Gedanken führen nicht wirklich zu einem Ziel. Eins ist jedoch sicher: sie wird alles versuchen, um ihn zu verstehen, einen Weg zu finden mit ihm zusammen zu bleiben, ihn vielleicht sogar glücklich zu machen. Aber wie wird es dann weiter gehen, wie wird ihre gemeinsame Zukunft aussehen? Sie wird älter werden, er bleibt so jung, wie er jetzt ist. Sie wird irgendwann ihre jugendliche Schönheit verlieren, Falten und graue Haare
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