Damian
den Fussboden. Magenkrämpfe schütteln sie und immer wieder erbricht sie sich. Damian hält sie, passt auf, dass sie auf allen vieren stehen bleibt und nicht auf dem Erbrochenen ausrutscht.
„Oh, Gott, was ist das? Was passiert mit mir?“, bringt Rachel zwischen zwei Brechattacken entsetzt zustande. Damian hält ihre Haare zurück, streicht sacht über ihren vor Schmerzen gebogenen Rücken, versucht ihr gut zuzureden. Ein widerlicher Gestank erfasst den ganzen Raum, der Rachel abermals zum Würgen bringt. Als sie endlich nichts mehr in ihrem Körper hat, das sie auf natürliche Art und Weise von sich geben kann, beginnt Damian mit Handtüchern das Chaos wegzuwischen.
„Bleib wie Du bist und rühre Dich nicht“, befiehlt er ihr in strengem Ton. Sie hatte sowieso nicht die Absicht wie ein junges Reh aufzuspringen, deswegen verharrt Rachel in der Vierfüsslerstellung, bis Damian ihr hilft sich wieder aufzurichten. Rachel glaubt, ihr Kopf platzt auseinander wie eine überreife Melone. Der Druck ist fast nicht auszuhalten. Damian entkleidet Rachel, bis sie splitternackt und zitternd vor ihm steht. Dann zieht auch er sich auch aus und lässt das Wasser in der Dusche an. Reflexartig schnellen Rachels Hände an ihre Ohren.
„So laut! Viel zu laut“, schreit sie ihm entgegen. Aber er ist unnachgiebig. Er hält sie, treibt sie langsam aber stetig voran, bis sie beide unter dem Wasserstrahl stehen. Die feinen Tropfen stechen in Rachels Haut wie winzige Nadeln. Wieder zischt sie schmerzhaft durch ihre zusammengebissenen Zähne. Damian nimmt die Seife und beginnt sie zu waschen. Sanft und überaus vorsichtig streichen seine warmen Hände über ihre kalte Haut.
„Besser?“, erkundigt er sich nach einer kleinen Weile.
„Ja, ein bisschen“, antwortet Rachel wahrheitsgemäß. Seine Hände tun gut auf ihrer aufgekratzten Haut. Das warme Wasser wärmt sie ein wenig und doch schlottert sie mit allen Gliedmaßen. Sie blickt an sich herab, ertastet vorsichtig ihren Bauch. Die Berührung erschreckt sie. Damians sanfte Hände empfindet sie als wohltuend, ihre eigenen Hände sind so kalt und starr. Sie ist dünn, wie lange war sie krank und welche Krankheit hat sie? Bestimmt so einen 24- Stunden-Virus, der brutal durch ihren Körper gejagt ist. Aber Damian sagte etwas von einem Unfall. Warum kann sie sich an nichts erinnern? Abermals wird ihr schwindelig und sie beginnt zu schwanken. Damian fängt sie auf, hält sie gegen seinen nackten, warmen Körper gepresst. Sofort beruhigt sich ihr Herz und schlägt mit dem seinen im Einklang. Minutenlang stehen sie so in der warmen Dusche und allmählich gewöhnt sich Rachel auch an den pieksenden Wasserstrahl. Ihr ist noch nie zuvor aufgefallen wie empfindlich ihre Haut ist. Jetzt sieht sie erneut an sich herab, sieht die blutigen Striemen an ihren Beinen und Armen. Was ist mit ihr geschehen? Was zur Hölle geht hier vor? Sie windet ihre Arme um ihren immer noch schmerzenden Leib und schließt die Augen. Sie hat sich noch nie in ihrem Leben so miserabel gefühlt. Und sie hat plötzlich das ungute Gefühl, das dies nur die Spitze des Eisberges ist.
Damian wickelt sie in alle vorhandenen Badetücher, die er finden kann. Sie zittert so heftig, dass ihre Zähne laut aufeinander schlagen. Dann hebt er sie auf seine Arme und bringt sie zurück zum Bett. Er deckt sie mit der Bettdecke zu und sucht dann in den Schränken nach einer weiteren Wolldecke, die er ebenfalls um ihren schlotternden Körper wickelt. Er ist immer noch nackt, hat sich nur notdürftig abgetrocknet. Damian schaut auf Rachel hinab und eine tiefe Traurigkeit überkommt ihn. Hat er wirklich das Richtige getan? War seine Entscheidung die richtige für Rachel? Oder hat er egoistisch nur an sich gedacht? Daran, wie es ihm gehen würde, wenn sie stirbt. Kann eine Entscheidung aus Liebe jemals richtig oder falsch sein? Als er keine Antwort darauf findet, nimmt er die Tagesdecke und klettert zu Rachel ins Bett. Sofort schmiegt sie sich an ihn, damit er sie wärmen kann. Keine fünf Minuten später bemerkt er aufgrund ihrer ruhigen und tiefen Atemzüge, dass sie eingeschlafen ist. Er hält sie die ganze Nacht eng an sich, lauscht ihrem Atem und ihrem immer noch rasenden Herzen. Als die ersten Morgenröte den Horizont erreichen, weiß er, dass sie es geschafft hat. Sie ist jetzt ein Vampir, genau wie er. Und er weiß, dass dieser Morgen ihm alles abverlangen wird, denn Rachel wird Fragen haben, auf die er nur mit der Wahrheit
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