Damian
leicht fällt, denn seine Muskeln sind immer noch sehr schwach und seine Gelenke sind steif. Er geht hinüber zum Bett und legt sich hin. Er ist müde, so unendlich müde und doch findet er keinen Schlaf. Er starrt gegen den Baldachin über seinem Bett. Rachel hat ihm das Leben gerettet. So könnte man es sehen. Aber letztlich wäre er lieber gestorben. Sie tat es mit allerbester Absicht, hat sich geopfert, um ihn zu nähren, ihm das gegeben, was er so dringend brauchte: Blut. Und doch kann er ihr dafür nicht dankbar sein. Sie hätte ihn sterben lassen sollen. Er ist es nicht wert weiter zu leben. Damian atmet tief ein und aus. Wie soll es jetzt weiter gehen? Wie kann und wie will er weiter leben? Nach dem, was Leylha ihm angetan hat, nach dem, was er erlebt hat, kann er nicht einfach so in sein altes Leben zurückkehren. Er kann Rachel kaum in die Augen sehen. Er schämt sich für das, was er gezwungener Maßen geschehen lassen musste. Er ist ihrer nicht wert. Sie war so tapfer in der Gruft, sie hat alles daran gesetzt ihn zu finden und zu retten. Seine kleine, süße, tapfere Rachel. Und doch wäre es falsch sich wieder auf sie einzulassen. Sie hatte recht, als sie sagte, sie komme mit seinem Leben nicht klar. Er kommt selbst mit dem, was er ist nicht mehr klar. Und wie soll er mit dem, was Leylha ihm angetan hat, jemals klar kommen? Rachel würde leiden unter seiner Gefühlskälte, denn er hat kein Herz mehr und er hat keine Seele. Er wird ihr niemals gerecht werden. Er ist tot und dennoch lebt er. Es wäre besser sie frei zu lassen und dafür sorgen, dass ein anderer Mann sie glücklich macht. Luca ist ein Charmeur, er weiß mit Frauen umzugehen. Aber er ist sich auch bewusst, was es heißt, Verantwortung zu übernehmen. Er ist ein mutiger und ehrenhafter, junger Mann und Damian glaubt, Luca wäre für Rachel die bessere Wahl. Immerhin war es Luca, der sich zuerst bereit erklärte, Rachel auf die dunkle Seite zu holen und sie sind sich während seiner Abwesenheit offensichtlich näher gekommen, wenn er das Foto, das Leylha ihm gezeigt hat richtig deutet. Warum aber spürt er dann wieder diesen Schmerz in seiner Brust, genau da, wo sein totes, verfluchtes Herz liegt? Warum berührt sie ihn immer noch so sehr? Warum kann er nicht loslassen? Was muss noch geschehen, um endlich zu erkennen, dass er und Rachel eben nicht füreinander bestimmt sind. Er hat gekämpft um seine Liebe zu ihr, die Gedanken an sie haben ihn die Torturen Leylhas überleben lassen. Sie war in den letzten Tagen seine Hoffnung, etwas, das er glaubte schon längst verloren zu haben. Warum kann er weder mit, noch ohne sie existieren? Was soll er nur tun? Wie soll es nur weiter gehen? Wenn sie erfährt, was geschehen ist, wird sie sich sowieso von ihm abwenden und ihn keines Blickes mehr würdigen. Sie wird allein die Entscheidung treffen, zu der er anscheinend nicht fähig ist. Sie wird erkennen, welch wertloses Stück Dreck er ist, welcher verfluchter Bastard, welch verlogener, selbstsüchtiger und besitzergreifender Heuchler er ist. Er muss keine Entscheidung treffen, sie wird allein darauf kommen, ihn ein für alle mal zu verlassen.
Damian zieht die Augenbrauen zusammen und lauscht. Er hört ihre Stimme, so klar und rein, wie das liebliche Singen der Nachtigall. Sie liebt ihn, immer noch, sonst wäre sie nicht gekommen, beginnt sein Verstand wieder zu arbeiten. Wie kann eine Frau, so klug und selbstsicher wie Rachel immer noch glauben, sie empfinde etwas für ihn? Ist es vielleicht nur das Blut, das sie verbindet? Oder sind Rachels Gefühle wirklich echt? Hat sie seine Abwesenheit genutzt, um sich über ihn im Klaren zu werden? Hat sie womöglich akzeptiert zu ihm zu gehören? Und wenn das wirklich so ist, kann er ihr geben, was sie verdient? Kann er sie genauso bedingungslos lieben wie sie es offensichtlich tut? Damians Augenlider werden schwer. Er kann sie kaum noch offen halten.
„Warum, ihr Götter, warum?“, ist der letzte Gedanke, der durch eine Kopf schwirrt wie ein winziger Kolibri. Dann taucht er ab in einen unruhigen Schlaf.
„Er möchte mich nicht sehen?“, fragt Rachel ungläubig nach. „Er bat mich Ihnen auszurichten, dass er im Augenblick gerne seine Privatsphäre hätte. Er bittet Sie das zu akzeptieren“, erläutert Henry gequält. Rachel senkt den Blick und nickt, während sich der Hausdiener verlegen verbeugt und verschwindet.
„Gib ihm Zeit“, tröstet Luca sie leise. Er ist ein wirklich guter
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