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Damit Dein Leben Freiheit Atmet

Damit Dein Leben Freiheit Atmet

Titel: Damit Dein Leben Freiheit Atmet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anselm Gruen
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muß sich der Christ reinigen, um die wahre Gnosis, die reine Schau Gottes, zu erlangen. Die wahre Gnosis ist aber auch die Fähigkeit, die Wirklichkeit so zu sehen, wie Gott sie geschaffen hat. Wer von den Leidenschaften beherrscht ist, schafft die Welt nach seinem eigenen Bilde. Er legt etwas in sie hinein, was gar nicht drin ist. Der spirituelle Weg zur Apatheia ist kein Wüten gegen den Leib, sondern ein sorgfältiger und liebevoller Umgang mit ihm. Clemens von Alexandrien war ein Künstler, der mit dem Leib genauso liebevoll umging wie mit jedem Wort. Das Ziel dieses ausgewogenen Umgangs war »die unendlich kostbare Klarheit und Heiterkeit der Sicht..., die mit dem ›leidenschaftslosen Zustand‹ verbunden war« (Brown 144).

    Für Gregor von Nyssa (t um 394) ist die Reinigung nicht die Vorbedingung für Kontemplation, sondern sie schenkt uns schon Anteil an Gott. Denn Gott ist reines Sein, »puritas essendi«. Gregor spricht von der »katharotes«, »der strahlenden Reinheit Gottes« (Brown 310), für die der menschliche Leib ein Spiegel ist. Peter Brown spricht von der Faszination des verheirateten Bischofs von Nyssa für seine Schwester Makrina, die bewußt jungfräulich lebte. Der jungfräuliche Leib seiner Schwester war für Gregor »der unbefleckte Spiegel« für das blendende Licht von Gottes Reinheit. Die Bestimmung des
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    Menschen besteht darin, in seinem Leib und seiner Seele die Reinheit Gottes widerzuspiegeln. Reinheit ist für Gregor »ein Zustand schattenloser Klarheit« und »wie das durchscheinende Strahlen eines stillen Mittagshimmels« (Brown 304). Gregor führt die Bitte um Reinigung auf Jesus zurück. An die Vaterunserbitte im Lukasevangelium fügt er an: »Dein Heiliger Geist komme über uns und reinige uns.« Die Sehnsucht nach der reinen Klarheit von Leib und Seele war für Gregor so zentral, daß er sie in das Gebet Jesu selbst hineinnahm, das die Christen täglich mehrmals beteten. Der Heilige Geist soll alles Befleckte an uns reinigen, damit unser Leib und unsere Seele Gottes Reinheit in unendlicher Klarheit widerspiegeln. Man merkt den Worten des Bischofs von Nyssa die Sehnsucht an, mit der er sich nach dieser Reinheit Gottes sehnte.

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    Apatheia und Reinheit des Herzens - die
    Mönchsväter

    Bischof Athanasius (295 bis 373) hat über den ersten christlichen Mönch, Abba Antonius (t 356), eine Biographie geschrieben, die damals eine große Begeisterung für das Mönchtum auslöste. Antonius hatte seine Habe hergegeben und sich zwanzig Jahre lang in einem einsamen Kastell
    eingeschlossen. Als die Freunde die Tür seiner Behausung aufbrachen, »da trat Antonius wie aus einem Heiligtum hervor, eingeweiht in tiefe Geheimnisse und gottbegeistert... Die Verfassung seines Innern aber war rein; denn weder war er durch den Mißmut grämlich geworden noch in seiner Freude ausgelassen.« (Kapitel XIV) Die Einsamkeit hat den großen Mönchsvater innerlich gereinigt. Unter Reinheit versteht Athanasius hier den Menschen, der »ganz Ebenmaß« ist,
    »gleichsam geleitet von seiner Überlegung, und sicher in seiner eigentümlichen Art« (ebd.). Antonius ist also nicht von Leidenschaften hin- und hergerissen. Sein Denken ist nicht getrübt durch Bitterkeit oder Euphorie. Er ist ganz und gar von der Vernunft geleitet und ganz er selbst. Er ist frei von dem Drang, sich nach außen irgendwie darstellen zu müssen. Er ist, wer er ist. Er steht in sich. Er ruht in Gott. Reinheit ist also Klarheit und Freiheit von allen Erwartungen an die Menschen und von dem Druck, sich beweisen zu müssen.

    Evagrius Ponticus, der bedeutendste Mönchsschriftsteller aus dem vierten Jahrhundert, hat eine eigene Vorstellung von Reinheit entwickelt. Für ihn ist der Kampf mit den
    Leidenschaften und der Umgang mit den Gedanken und
    Gefühlen die Voraussetzung, um von ihrer Herrschaft frei zu werden. Reinheit ist le tztlich Freiheit von der Macht der
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    Leidenschaften. Evagrius verwendet für diesen Zustand in der Nachfolge des Clemens von Alexandrien ebenfalls den Begriff
    »Apatheia«. Es ist ein Zustand, in dem die »pathe«, die
    »Leidenschaften«, die Seele nicht mehr bestimmen. Die Vorsilbe »a« meint die Freiheit, das „Losgelöst sein“ von den Leidenschaften. Es bedeutet nicht das Verschwinden der Leidenschaften. Denn die Pathe gehören wesentlich zum Menschen. Aber es ist ein Zustand des Nichtgebundenseins, der Freiheit von
    der pathologischen Abhängigkeit von
    Leidenschaften.
    Der Weg zur

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