Damit Dein Leben Freiheit Atmet
kleinen Gruppen der Dekanien gelegt, in die unsere Gemeinschaft aufgeteilt ist. Dort im kleinen Kreis kann man sich ehrlicher austauschen über das, was einem leid tut. Da klagt sich einer an, daß er zu wenig am Leben der Gemeinschaft teilgenommen hat. Oder ein anderer erzählt, was ihn momentan
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belastet und ihn daran hindert, auf andere fröhlich zuzugehen.
Ein Dritter sagt, daß es ihm leid tue, wie er bei dieser oder jener Gelegenheit reagiert habe. Ein Gespräch über unsere Fehler darf nicht zu einer Selbstentwertung führen. Im Gegenteil: Wer den Mut hat, Fehler einzugestehen, der zeigt damit seine Größe. Und er trägt dazu bei, daß sich die Atmosphäre klärt. Nach so einer Culpa kann man wieder anders aufeinander zugehen. Man hat den Eindruck, daß die Luft klarer geworden ist.
Der hl. Benedikt mißt der Vergebung eine reinigende Wirkung zu. Die Mönche sollen beim Beten des Vaterunsers vor allem an die Vergebungsbitte denken. Wenn Gott ihnen vergibt, so sollen auch sie einander vergeben. Eine Gemeinschaft kann nur menschlich miteinander leben, wenn die Mitglieder bereit sind, einander immer wieder zu vergeben. Ohne Vergebung schleppt die Gemeinschaft viel Unrat mit sich. Denn die Verletzungen und Kränkungen, die sich die Mitbrüder einander zufügen, trüben das Klima einer Gemeinschaft, wenn sie nicht vergeben werden. Vergebung ist ein entscheidendes Mittel der Reinigung. Es ist interessant, daß in den USA das Thema
»forgiveness« ein zentrales Thema der Psychologie geworden ist. Psychologen haben entdeckt, daß die Vergebung für den, der vergibt, heilend und befreiend ist. Denn wenn ich nicht vergeben kann, bin ich an den, der mich verletzt hat, noch gebunden.
Vergebung löst die Bindung auf, und ich kann wieder frei atmen. In manchen Gemeinschaften gibt es viele
Verwicklungen, weil alte Verletzungen nicht vergeben worden sind. So bleibt man aneinandergekettet. Eine Verletzung zieht die nächste nach sich. Und es gibt ganz komplizierte Beziehungsgeflechte, die man kaum mehr durchschauen kann.
Da braucht es die Bereitschaft, einander zu vergeben, um dieses undurchschaubare Geflecht aufzulösen. Doch wir sind nur dann fähig, einander zu vergeben, wenn wir uns bewußt machen, daß Gott uns all unsere Schuld vergeben hat. Unsere Vergebung
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wurzelt in der Erfahrung der göttlichen Vergebung. Gott selbst reinigt unser Herz und unsere Beziehungen, indem er uns immer wieder vergibt. Unsere Aufgabe ist es, an die vergebende Liebe Gottes zu glauben und sie in unsere Fehler und Schwächen, in unsere getrübten Beziehungen hineinströmen zu lassen. Nur so kann die Atmosphäre der Gemeinschaft gereinigt werden.
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VII. Reinigende Rituale für Körper
und Seele
Seit jeher gab es in allen Religionen Reinigungsrituale -
Rituale, denen man eine reinigende Kraft zuschrieb. Ritus bedeutet vom Wortstamm her »das Abgezählte, das
Angemessene«. Riten strukturieren das Leben. Sie bringen Ordnung in das Chaos der menschlichen Seele. Es gibt gemeinschaftliche Riten und Riten für den einzelnen. Ich möchte einige reinigende Rituale beschreiben. Dabei ist es mir wichtig, daß ich von den zentralen Reinigungsriten ausgehe, wie sie in den drei kirchlichen Sakramenten der Taufe, Eucharistie und Beichte dargestellt werden. Aber ich möchte die Riten dieser Sakramente weiterführen in den Alltag hinein. Im Alltag vollziehen wir persönliche Rituale, die auch in den drei Sakramenten vorkommen und sie ins konkrete Leben hinein übersetzen. Manchmal sehen wir die Verbindung unserer persönlichen Rituale zu den kirchlichen Ritualen nicht. Und doch haben sie häufig ihre Wurzel darin. Die Ritua le der Kirche haben eine lange Geschichte, die älter ist als das Christentum.
Rituale sind uralte Strukturmuster der menschlichen Seele. Und seit alter Zeit prägen sie das Zusammenleben der Menschen. In den Ritualen der Kirche und in den persönlichen Ritua len hat sich die Weisheit der ganzen Menschheit verdichtet und einen für alle Menschen angemessenen Ausdruck gefunden.
Bevor ich einzelne Rituale beschreibe, die uns heute helfen könnten, uns von dem täglich anfallenden inneren und äußeren Schmutz zu reinigen, möchte ich an einer biblischen Geschichte aufzeigen, wie Riten wirken. Für mich ist die Geschichte von der Jakobsleiter ein schönes Bild für das Wesen der Rituale. In dieser Geschichte leuchten für mich sechs Bilder auf, die mir das Wesen der Rituale verdeutlichen.
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Was macht
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