Damit Kindern kein Flügel bricht - Kindliche Verhaltensauffälligkeiten verstehen und ein gutes Familienklima fördern
richtigen Worte, wenn auch zu Hause Enttäuschungen zu besprechen sind? Vielleicht würden die Mütter und Väter es sogar schaffen - wenn sie in ihrer Hauptrolle nur Mütter und Väter wären. Sie sind es aber nicht. Sie sind einfach Menschen, Mann und Frau, mit eigenen Schicksalen, bewältigten und unbewältigten Lebensbereichen, manchmal sind es größere oder kleinere Traumata, die ihnen den unbeschwerten Umgang mit den Kindern schwer machen. Oft sind es einfach die aktuellen Lebensumstände.
Eine Mutter wollte keine Teilzeit-, sondern eine Vollzeitstelle. Jetzt hat sie die Wahl, Teilzeit zu arbeiten oder zu gehen. Sie ist aber alleinerziehend, ihr Exmann arbeitslos. Sie weiß nicht, wo sie das nötige Geld für die zwei Kinder und sich aufbringen soll. Das Jugendamt unterstützt sie zwar, doch auch dann ist es noch knapp mit den finanziellen Ressourcen.
Solche berufstätigen, alleinerziehenden Mütter sind oft die verborgenen »Heldinnen« unserer Gesellschaft. Sie arbeiten und erziehen mit einem Einsatz, der sie gezwungenermaßen an die Grenze ihrer Belastbarkeit führt. Physisch und psychisch. Und wenn dann noch die Mutter-Kind-Kur, die eine solche Mutter dringend bräuchte, aus Sparmaßnahmen abgelehnt wird, ist das purer Hohn. Gerade einer alleinerziehenden Mutter gebührte da mehr staatliche Unterstützung. Alleinerziehende Mütter sind keine kranken Mütter, doch müsste der Staat da viel mehr tun, damit es nicht zu einem nur allzu verständlichen Burn-out kommt, was die Kassen ungleich mehr belasten würde. Diese Mütter, die ich für ihr Durchhaltevermögen nur bewundern kann, brauchen viel dringender als die in ein breiteres Verantwortungsnetz mit zwei Elternteilen eingebetteten Mütter Auszeiten, weil so viel Verantwortung und Mehrfachbelastung auf ihnen ruht.
Eine Mutter hat eine körperlich ernst zu nehmende Krankheit zu bewältigen und möchte eigentlich nur in Ruhe gelassen werden. Ausspannen, keine Pflichten mehr übernehmen müssen. »Weil ich doch jetzt viel Zeit für mich brauche. Wo soll die herkommen, mit zwei Kindern? Nur weil ich krank bin, kann ich jetzt aber doch nicht sagen: Eure Hausaufgaben sind mir schnuppe … kocht euch selber was … Schau selber, lieber Mann, wie du mit deinen Problemen am Arbeitsplatz klarkommst. Interessiert mich nicht die Bohne, hab selber keinen Boden mehr unter den Füßen...« Aus purer Angst, in ein tiefes Loch zu fallen, legt diese Mutter stattdessen noch einen Zacken zu bei der Überwachung der Hausaufgaben, erteilt dem pubertierenden Sohn Hausarrest (den sie selber kaum aus- und durchhält), schreit ihren Mann an, sie nicht noch mit zusätzlichen Sorgen zu belasten.
»Was wäre denn, wenn Sie Ihrer Familie das alles sagen würden, was Sie mir sagen? Ihre Kinder wissen bis jetzt nicht, warum Sie so kontrollwütig geworden sind, sie wissen nichts Genaues von Ihrer Krankheit, Ihr Mann läuft mit Schuldgefühlen herum, fühlt sich als Versager. Sie werden Ihre Krankheit bewältigen, aber nicht so. Sprechen Sie in einem guten Augenblick über Ihren Zustand, über Ihre Angst, den Kindern jetzt nicht so viel geben zu können wie sonst. Die Kinder fühlen sich dann ernst genommen. Das Verschweigen macht sie so unkonzentriert und böse Ihnen gegenüber. Zeigen Sie ihnen Ihre Angst, alles könnte den Bach runtergehen, wenn Sie nicht funktionieren. Und sagen Sie um Himmels willen nicht: Wenn ihr, Kinder, nicht funktioniert … Sie werden entdecken, dass Ihre Kinder sich auch selber um die Hausaufgaben kümmern können, weil es ihnen viel bedeutet, die Mama wieder gesund und fröhlich wie früher zu erleben. Das sind auch Chancen für Ihre Kinder.«
Die kitschigen Bilder einer guten Mutter und eines guten Vaters hocken manchmal wie ein Krake im Hirn der Eltern.
Auch wenn nichts mehr geht: Seine Greifarme mit den fetten Saugnäpfen halten das Bild der guten Mutter und des guten Vaters eisern umklammert. Der Krake windet sich auch manchmal klammheimlich aus dem Hirn heraus und klebt plötzlich am Familientisch und hält dort das ganze Alltagsleben vom Hausaufgabenmachen bis zu den Mahlzeiten fest im Griff. Die Mahlzeiten werden dann ein Schauplatz ständiger Streitereien, Ermahnungen und gegenseitiger Schuldvorwürfe. Oder es hat allen Beteiligten die Sprache verschlagen: »… und die Mutter blicket stumm um den ganze Tisch herum«, heißt es für solche Momente bei Wilhelm Busch.
Apropos Krake: Er ist eines der am häufigsten verwendeten Symbole in der
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