Damit Kindern kein Flügel bricht - Kindliche Verhaltensauffälligkeiten verstehen und ein gutes Familienklima fördern
Lehrer in ihrer Ausbildung übrigens viel zu wenig vorbereitet werden! Das gelangweilte, verdrossene Gesicht mancher Schüler im Unterricht trifft den Lehrer tief. Wie soll er Jugendliche erreichen, die zwar körperlich anwesend sind, doch nicht wirklich an- und aufnehmen, was er ihnen geben möchte? Wie soll er mit Adoleszenten, die sich gerade in einer persönlichen Krise befinden, umgehen? Wie führt man eine Klasse? Fragen, so erzählen mir immer wieder Lehrer, die in ihrem Lehramtsstudium nicht beantwortet wurden. »Als ich angefangen habe als Lehrer, hat mich die Begeisterung getragen. Jetzt bin ich oft nur müde und ausgelaugt«, sagte mir ein Realschullehrer, den ich als äußerst engagiert kennenlernen durfte. Warum wird Lehrern keine Supervision angeboten?
Zurück zum Egbert-Gymnasium. Ich habe dort mehrere Ansprachen des Schulleiters gehört, zu verschiedenen Anlässen, und es war seine Ausdrucksweise, die noch in meinen Ohren nachhallt. Der Fokus lag in diesen kurzen Reden auf Ermunterung, auf Motivation der Schüler und einer spürbaren Wertschätzung der jungen, heranreifenden Generation - nicht auf pädagogischen Ermahnungen und verkopften Belehrungen im Sinne von »Gebt euch Mühe, macht mit, enttäuscht uns nicht«. In der 10. Klasse dürfen die Schüler einen Tanzkurs machen, der mit einem Abschlussball endet, zu dem auch die Eltern eingeladen sind. Die Abiturienten verabschieden sich mit unglaublich fantasievollen Collagen von ihrer Schule, die im Hauptgang der Schule einen »ewigen« Platz finden und noch einmal die Gesichter dieser Schulabgänger für alle jüngeren Ausbildungsgenerationen festhalten. Auch der musische Aspekt an diesem neusprachlichen Gymnasium wird hochgehalten. Er ist an dieser Schule nicht nur schmückendes Beiwerk, sondern wird, wie das Voltigieren,
von der Überzeugung getragen, dass nicht nur die linke Gehirnhälfte in diesen so wichtigen und sensiblen Entwicklungsjahren gefördert werden muss.
Ich habe mich mit Schülern aus allen Jahrgangsstufen unterhalten, und die immer wieder gemachte Hauptaussage spiegelt sich in den Worten einer 15-Jährigen: »Natürlich wird hier auch viel verlangt, aber wenn’s Probleme gibt, sind die hier super. Die lassen keinen hängen und ich hab auch noch nie erlebt, dass hier ein Schüler fertiggemacht wird. Wenn was schiefläuft, sprechen wir mit unserem Klassenlehrer oder mit unserem Paten - bringt immer was. Hier kann man wirklich miteinander reden.« Eine andere Schülerin, die an dieses Gymnasium gewechselt ist, sagt: »An der alten Schule war ich allein mit meinen Problemen, hat keinen interessiert, nur die Noten waren wichtig. Hier bauen die mich auf, wenn ich es zu Hause wieder mal schwer habe. Und die sind mir auch entgegengekommen, wie ich notenmäßig wieder mal einen Durchhänger hatte. Ich bin eine gute Schülerin, aber manchmal steig ich aus, raff nichts mehr, verhau die Arbeiten. Jetzt läuft’s wieder. Wenn die mich hätten fallen lassen wie an der alten Schule … ich weiß nicht, wär dann wahrscheinlich ziemlich scheiße gelaufen mit … ja, Zukunft und so.«
Bei der Diskussion um ein besseres Schulmodell geht es, wie man hier schon erkennen kann, nicht um Leistungsstandards. Die setze ich stillschweigend voraus. Auch das Egbert-Gymnasium ist keine Schule mit verordnetem Schmusekurs. Das wollen die heutigen Jugendlichen gar nicht. Sie wollen nur ernst genommen werden, auch mit ihren zum Teil beträchtlichen privaten Schwierigkeiten, die sie nicht verursacht haben, doch mittragen müssen - ob das nun die Arbeitslosigkeit eines Elternteils ist, die physische oder psychische Erkrankung eines Elternteils, eine Trennungssituation zwischen den Eltern, die zum Kriegsschauplatz verkommt,
eine Elternbeziehung, die alles zu bieten hat, nur keine gegenseitige Achtung und Wertschätzung, oder die Bevorzugung eines Geschwisters.
Nicht nur Trennungskinder leiden an gescheiterten Paarbeziehungen zwischen Mutter und Vater. Auch in sogenannten funktionierenden Familien können Kinder und Jugendliche oft kein Eltern- Paar finden, das diesen Namen verdient. Ein Umstand, der gerade in der politischen Wertediskussion oft verleugnet wird.
Was das Egbert-Gymnasium besonders auszeichnet, ist der emotionale Bonus. Hier wird ein Kind nicht nur als Produkt seiner schulischen Leistungen gesehen und eingeordnet. Hier werden den Jugendlichen auch Krisen zugestanden. Und, vielleicht am wichtigsten, es wird auch erkannt, dass diese Altersgruppe
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