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Damit Kindern kein Flügel bricht - Kindliche Verhaltensauffälligkeiten verstehen und ein gutes Familienklima fördern

Titel: Damit Kindern kein Flügel bricht - Kindliche Verhaltensauffälligkeiten verstehen und ein gutes Familienklima fördern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kösel
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aber nicht das Herz. Streit nährt dann
manchmal noch ein bisschen, doch nur, wenn es mit der Liebe nicht mehr klappt.
    Man wollte auch einer Schicksalsgemeinschaft entkommen sein, die anstelle eines lebendigen Gesprächs Verbote und Gebote auftischte und zum Verzehr bestimmte. Und vorher wurde nicht aufgestanden. Oder es wurde auch nichts mit der wohlverdienten Nachtruhe, bevor man sich nicht für irgendwelche kleinen Verfehlungen des Tages entschuldigt und Abbitte geleistet hatte - mit dem Versprechen auf Besserung am nächsten Tag und für immer. Wie oft erzählen Kinder, dass sie Mama oder Papa haben versprechen müssen, alles Mögliche »nie mehr« zu tun. Das geht dann so: Andere Kinder werden nicht geschlagen, die Hausaufgaben werden immer gemacht, Unterschriften werden nicht gefälscht, im Supermarkt oder anderswo wird nicht geklaut, die Eltern werden nie mehr angelogen (was ist mit den Kindern?), Drogen werden keine genommen, vom Alkohol lässt man die Finger (die Eltern auch?), für die Schule wird endlich gelernt …
    Alles, was die Eltern von diesen Kindern verlangen, ist richtig. Doch: Sie haben früher fast alle das Gleiche gemacht. Sie haben es einfach vergessen. Und sie haben auch vergessen, dass sie unter dem Abendessen gelitten haben, bei welchem nebenbei gegessen und hauptsächlich Tacheles geredet oder geschwiegen wurde, weil man sich vor allem Unschönes hätte sagen müssen.
    Eltern, die ihre Kindheit vergessen haben, sind schlechter dran als solche, die viele Erinnerungen mitgenommen haben. Und zwar bunt gemischte Erinnerungen, so bunt gemischt wie unsere Gefühle.
    Es gibt ein bezauberndes Buch: Gefühle sind wie Farben von Aliki. Jedes uns Menschenkindern mögliche Gefühl wird auf einfache Art darin illustriert und in eine kleine einprägsame Geschichte verpackt. Die Kinder schauen es gerne und häufig an. Manche Gefühls-Seiten werden dann überschlagen,
weil sie für das Kind gerade nicht aktuell oder besonders aktuell sind, manche Seiten werden wiederholt und intensiv angeschaut. Auch Eltern wollen mitunter das Buch kennenlernen, weil ihre Kinder davon zu Hause berichten.
    Ein Vater, der seinen Kindern mit seinen Kopfsprüngen vom Dreimeterbrett unendlich Eindruck macht, vor allem dem Sohn, der eher vorsichtig und schüchtern ist, hat darin eine Geschichte wiedergefunden, die er als Junge selber ziemlich genauso erlebt hatte. »Man glaubt es nicht, aber ich hab komplett vergessen, dass ich als kleiner Junge genauso bescheuert da oben gestanden bin auf dem Sprungbrett und gebetet habe, dass mich keiner auslacht, wenn’s danebengeht.« Er verstehe jetzt, warum er so sauer auf seinen Sohn reagiere, wenn der sich einfach nicht entschließen könne zu springen. »Da ist eine Enttäuschung da, das geht so weit, dass ich bezweifle, ob so eine Memme mein Sohn sein kann...«
    Dieses Buch ist ein Plädoyer für das Erinnern. Viele Eltern handhaben ihr Erwachsenenleben wie eine biografische Neuschöpfung. Sie nehmen ihre Kindheit oft nicht mit, sondern trennen sich von ihr, zumindest von den Orten, wo ihnen Räuber, Mörder, Neider, Taube und Blinde, Unberührbare, Inquisitoren, Jammerlappen und ewige Außenseiter und Nichtversteher begegnet sind, zumindest ein bisschen …

Ein bisschen Räuber
    Seien wir ehrlich: In jedem Leben gibt es die Begegnung mit Räubern, auch im eigenen trauten Heim. Räuberische Spiele laufen nun einmal auf der Familienbühne ab. Jede Mutter, jeder Vater ist ein bisschen Räuber … Am klarsten wird das immer dann, wenn die Eltern über die Schulnoten der Kinder sprechen, über erhoffte und nicht eingetretene Erfolge,
über gute Noten, die sich die Mütter und Väter manchmal wie eine unsichtbare Trophäe an die eigene Brust heften. »Mein Sohn ist schulisch eine ziemliche Erfolgsnummer, aber das erwarte ich auch«, so ein Vater in einem Ton, der am Recht auf diese Erwartung keine Zweifel beim Zuhörer aufkommen lassen soll. Ein Räuber-Vater.
    Eine alltägliche Sprachwendung: »Wir haben viel gelernt.« Gemeint ist, Mutter/Vater und Kind haben Englisch, Mathe oder welches Schulfach auch immer mit ihrem Sprössling geübt. Aber »wir«? Dieses kleine Wörtchen fließt im Gespräch mit ein wie die größte Selbstverständlichkeit. Es handelt sich bei diesem gemeinsamen Üben wohlverstanden nicht um Eltern, die ihrem Erst- oder Zweitklässler den Einstieg in die Schullaufbahn erleichtern wollen. Ich höre solche Sätze auch von Müttern und Vätern, deren Kinder bereits

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