Damit Kindern kein Flügel bricht - Kindliche Verhaltensauffälligkeiten verstehen und ein gutes Familienklima fördern
diesem aufopfernden Mutterverhalten. Es hat einfach zu lange über den Müttern gehangen wie eine große, schwere Last.
Müttern, deren Kinder an Neurodermitis leiden, kann es helfen, statt mit einem diffusen und unnötigen Schuldgefühl
herumzulaufen und teure Hautcremes zu kaufen und Krankenschwester ihres Kindes zu spielen, wo sie doch Mütter sein möchten, einmal ehrlich Bilanz zu ziehen und darüber nachzudenken, wie viel Körperkontakt sie selber erfahren haben als Kind. Und wie viel Körperkontakt jetzt möglich ist zwischen Mutter und Vater. Die Haut ist ein faszinierend empfindsames Kontaktorgan. Kinder nehmen jeden Stress über dieses Kontaktorgan auf. Kinder sind, ungleich mehr als wir Erwachsenen, noch eine psychosomatische Einheit. Körper und Seele wohnen noch unter demselben Dach.
Wenn ein Kind über Bauchschmerzen klagt, kann es sein, dass eine Grippe im Anzug ist. Doch viel wahrscheinlicher als die Grippe ist eine psychische Irritation. Sie kann blitzschnell durch Ärger mit anderen Kindern ausgelöst worden sein, durch eine unachtsame Bemerkung der Lehrerin oder durch einen Streit der Eltern. Mütter sagen oft mit einer gereizten Stimme: »Mein Kind hat ständig Bauchschmerzen.« Die gereizte Stimme verrät mir, dass Mütter sich unbewusst die Schuld daran geben und vom Verdacht, irgendetwas falsch zu machen, befreit werden möchten. Statt zu fragen: »Was macht dir Bauchschmerzen?«, hören die Kinder: »Schon wieder Bauchschmerzen … warum hast du denn ständig Bauchschmerzen!« Genauso ist es mit den häufigen Kopfschmerzen unserer Kinder. Es sind, in den meisten Fällen, Anzeichen für Stress und Überforderung. Und es besteht kein Grund, als Eltern diese Kopfschmerzen immer gleich persönlich zu nehmen - wohlverstanden unbewusst.
Was könnte denn beim Nachdenken der Mutter, wie viel Körperkontakt sie selber als Kind bekommen hat, herauskommen - außer Trauer und einem Mangelgefühl? Die sich dann, wenn es gut geht, einstellende und tief empfundene Trauer ist doch die Voraussetzung zu einer Veränderung. Wenn wir leiden können unter einer gemachten Erfahrung, beginnen wir uns zu verändern. Diese so zustande
gekommenen Veränderungen sind die verlässlichsten. Dann taucht im neuen Frühling nicht wieder der langweilige, weil schon erfahrene alte Frühling auf, mit Keimen und Aufblühen der vertrauten Blumen und Pflanzen, sondern dann könnte wirklich eine noch nie gesehene Blume darunter sein.
Heimische Inquisitoren
Eltern sind oft verständnisvoll und großzügig ihren Kindern gegenüber. Es gibt aber auch Ausnahmen.
Mädchen schildern ab und zu, wie streng Väter mit ihrem erwachenden Sexualleben umgehen - wenn sie es denn überhaupt mitbekommen! Oft sind Väter ganz überrascht, wenn sie hören, dass ihre Töchter sich für Jungs interessieren und keineswegs mehr so unerfahren sind, wie die Väter glauben. Die Mädchen wiederum beklagen sich zu Recht, »dass mein Papa noch gar nicht mitbekommen hat, dass ich kein kleines Mädchen mehr bin«. Ein Vater, intellektuell und mit beeindruckendem philosophischen Hintergrund, fragte ganz entsetzt, als die Sprache auf die Menstruation seiner 14-jährigen Tochter kam: »Ja, beginnt das denn jetzt schon mit 14?« Die Mutter konterte lachend: »Ich sag ja, er hat von seiner Tochter keine Ahnung.«
Es wäre schön, wenn Väter ihre heranwachsenden Töchter aus dem süßen Kleinmädchenbild entlassen könnten. Denn die Tatsache, dass da eine junge Frau heranreift, verlangt auch einen anderen Vater. Etwa einen, der sich nicht mehr mit seiner Tochter gemeinsam im Bad aufhält. Oder einen, der nicht unbefangen das Zimmer seiner Tochter betritt, sondern anklopft. Und zwar nicht nur der Form halber, um dann gleich im Zimmer zu stehen. Ein Vater wird da verlangt, der sich vorstellen kann, dass er gerade ungelegen
kommt und etwas warten muss. Dasselbe gilt natürlich auch für die Söhne. Auch da kommt man als Mutter oder Vater manchmal ungelegen.
Dieser Umstand verändert vieles im Familiengefüge. Zuallererst die Erkenntnis, dass die Eltern nicht mehr mit dem Instrumentarium auskommen, das bei ihren Kindern noch funktioniert hat. Kinder ändern sich und suchen, je nach Entwicklungsabschnitt, neue Eltern. Die Kinder sind dabei ihren Eltern fast immer um einige Schritte voraus. Ich ersuche die Jugendlichen in der Regel um Nachsicht für das langsamere Tempo, das ihre Eltern an den Tag legen: »Deine Eltern haben es gestern noch mit einem Kind zu tun
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