Damit Kindern kein Flügel bricht - Kindliche Verhaltensauffälligkeiten verstehen und ein gutes Familienklima fördern
gehabt, sie können nicht in dich hineinsehen. Du hast viel früher gemerkt, dass du kein Kind mehr bist. Gib ihnen Zeit, zu merken, dass man mit einer 13-Jährigen anders umgehen muss als mit einer Zehnjährigen, sag ihnen immer wieder, wie du jetzt denkst und fühlst. Sie können es doch von dir selber am besten erfahren.« Jugendliche verstehen das meistens ganz gut, nachdem die erste Wut darüber verraucht ist, dass der Papa wieder einen Termin ausgemacht hat, ohne sich zu erkundigen, ob er ihnen auch recht ist. (»Er glaubt immer noch, ich hätte nichts anderes als die Schule. Dass ich vielleicht schon verabredet bin mit meiner Freundin, kommt ihm gar nicht in den Sinn.«)
Womit Eltern sich besonders schwertun in diesem Entwicklungsabschnitt: dass sie nicht für die Kinder, sondern mit ihren Jugendlichen manche Entscheidung treffen müssen und grundsätzlich nicht mehr so viel zu sagen haben wie früher. Oft hört sich dann die Erklärung der Eltern, was ihre Überzeugungsversuche anbelangt, ausgesprochen vernünftig an. Doch die Vernunft hinkt hinter dem emotionalen Zustand der Jugendlichen hinterher. Eltern sind manchmal fassungslos, dass ihre Töchter und Söhne den klug und sachlich vorgebrachten Argumenten ihrer Eltern einfach den Rücken
kehren. Und wenn eine Mutter oder ein Vater dann kopfschüttelnd dasitzt und sagt: »Ich hab doch recht, oder wie sehen Sie das?«, kann ich meist nur bestätigen, dass sie aus ihrer Sicht alles richtig machen, und vielleicht noch hinzufügen, dass ich genau gleich gehandelt und argumentiert hätte. Trotzdem sind die Eltern abgeblitzt. Trotzdem macht ihr Sohn oder ihre Tochter genau das Gegenteil und fühlt sich von den Eltern oder der Therapeutin nicht gut beraten, sondern behindert und unverstanden.
Wir sollten das einfach akzeptieren - und trotzdem uns treu bleiben und die Jugendlichen mit unseren Ansichten und Überzeugungen vertraut machen. Eltern reden ja nicht nur für den Moment. Sie sprechen vom Leben. Und es ist gut, wenn Jugendliche ihre Eltern sprechen hören und nachvollziehen können,
• warum die Eltern in Deutschland leben und nicht ausgewandert sind (oder nach Deutschland gezogen sind),
• warum sie Ehrlichkeit nicht altmodisch, sondern wertvoll finden,
• warum sie glauben, dass eine gute Schulausbildung von Nutzen sein könnte,
• warum sie überzeugt sind, dass Einsatz Früchte trägt,
• warum sie möchten, dass die Freunde ihrer Kinder sie grüßen,
• warum ihre Abwesenheit keine Einladung zum heimlichen Orgienfeiern darstellt,
• warum Jugendliche sich vernünftig und regelmäßig ernähren sollten,
• warum man nicht wegschaut, wenn ein Mitschüler gehänselt wird,
• warum der Vater nicht immer einer Meinung mit der Mutter sein kann und also mit ihr streiten muss,
• warum Jugendliche sich nicht die Nacht um die Ohren
schlagen und sich zu Hause wie ein seltener Gast benehmen sollen,
• warum jedes Familienmitglied das andere gut behandeln sollte,
• warum Zivilcourage so wichtig ist,
• warum es auch in der eigenen Familie für jeden eine von allen respektierte Intimsphäre geben sollte,
• warum die Eltern ohne große Erklärung Grenzen setzen dürfen,
• warum 18 Jahre alt werden nicht bedeutet, dass man tun und lassen kann, was man will,
• warum das Zuhause kein »Hotel Mama« ist, in welchem sich alle bedienen lassen auf Kosten der einen (Mama),
• warum der Papa immer schon SPD gewählt hat und die Mama auf die Grünen steht, die Oma es immer schon mit der »Genscher-Partei« gehalten hat und der Opa »den Hut vor Frau Merkel zieht«,
• warum es jedem Familienmitglied gut ansteht, Fehler zuzugeben,
• warum jeder in der Familie seinen eigenen Musikgeschmack haben darf, ohne dass der andere sich darüber abfällig äußert,
• warum eine lebendige Familie aus mehreren Individuen besteht und keine Kopien, Nachplapperer und eingeschüchterte Jasager braucht,
• warum alte Menschen nicht langweilig und unnütz sind, sondern viel zu erzählen haben (man muss sie nur fragen),
• warum Eltern nicht entsetzt sein sollten über das Verhalten ihrer Kinder, vielleicht sind diese ja nur ein Spiegel …
Eines der häufigsten Worte im Gespräch Jugendlicher mit ihren Eltern, anderen Erwachsenen oder Gleichaltrigen ist »Warum?«. Das Dialogwort per se. Jemand, der keine Fragen mehr stellt, hat sich vom Leben abgewandt. Mit diesem kleinen
Wörtchen dringen wir vor in uns unbekannte Zusammenhänge. Mit ihm
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