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Damit Kindern kein Flügel bricht - Kindliche Verhaltensauffälligkeiten verstehen und ein gutes Familienklima fördern

Titel: Damit Kindern kein Flügel bricht - Kindliche Verhaltensauffälligkeiten verstehen und ein gutes Familienklima fördern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kösel
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eine Mutter oder ein Vater hat mir eben die persönliche Lebensgeschichte erzählt, bin tief beeindruckt, berührt - und weiß: Die Therapie wird gut laufen. Dieser Vater oder diese Mutter hat schon so viel geleistet und geschafft … das Problem mit dem Sohn oder der Tochter werden sie auch noch lösen. Eine Sichtweise, die den Eltern übrigens oft fehlt. Da höre ich mich dann leise oder auch laut das Wörtchen »Warum?« stellen. Warum vergessen diese Eltern, dass sie doch schon oft gesiegt haben, und warum vergessen sie, es ihren Kindern zu erzählen? Ihre Kinder wären nicht mehr gelangweilt.

Jammerlappen und ihre »bösen« Kinder
    »Meine Mutter beklagt sich ständig, dass sie sich ein anderes Leben vorgestellt hat, dass, wenn sie gewusst hätte, wie viel Ärger Kinder bedeuten, sich anders entschieden hätte. Nicht für den ganzen Familienkram und so.«
    Nadine ist jetzt, mit 19 Jahren, überzeugt, dass sie sich nie für den »Familienkram« entscheiden wird. Sie hockt da, ziemlich gelangweilt, unverschämt cool und sehr abgebrüht. Nichts scheint sie mehr zu schockieren, wenig scheint sie noch zu berühren. Kunststück. Sie hört ja fast täglich, dass die Mutter eine falsche Entscheidung getroffen hat, dass sie, Nadine, eigentlich von Glück reden kann, dass sie überhaupt auf der Welt ist dank einer Fehlentscheidung.
    Ich nehme solche Aussagen ernst, aber nicht zu ernst. Mütter und Väter sagen vieles. Eine unglückliche Bemerkung löst noch kein Trauma aus. Vor allem Mütter »beichten« oft ungeschickte und verletzende Bemerkungen wie einen nicht wiedergutzumachenden Fehler. Auch Eltern reden manchmal Unsinn, wir alle, ob Eltern oder nicht, sind nicht jeden Tag und stündlich auf der Höhe unserer kommunikativen Möglichkeiten. Wir sagen im emotionalen Ausnahmezustand Dinge, die uns wenig später, Ruhe und Distanz sind wieder zurückgekehrt, nur noch den Kopf schütteln lassen.
    Problematisch werden solche verbalen und emotionalen Ausrutscher erst, wenn sie den Ausnahmecharakter verlieren und sich zum täglichen Kommunikationsmuster einschleifen. Dann wird’s happig für die Kinder. Solche Happen kriegen sie nicht mehr ohne Weiteres runter. Wenn solche Elternklagen die Seele des Kindes zu oft berühren, baut es sich, ganz allmählich über die Jahre und meistens unbemerkt von den Eltern, einen Schutzpanzer auf. Das Resultat sind die
supercoolen Kids, an welche kaum noch heranzukommen ist. Wenn es ganz schlecht gelaufen ist, wird über diese Kinder dann in den Medien berichtet. Sie haben andere Kinder gequält, Videos der Demütigung gedreht, ein Opfer gefunden und es übel zugerichtet. Und das alles nur, weil sie nicht selbst das Opfer sein wollten. Weil sie schon zu lange mit dem Gefühl einer diffusen Schuld alleingelassen worden sind und damit leben gelernt haben.
    Ich nehme Nadine ernst. Sie ist zu cool und zu gleichgültig für ihr Alter. Sie hasst den »Familienkram« zu sehr. Sie verprügelt, wenn ihr einer - oder meistens eine - »zu blöd kommt«, zu schnell. Dafür muss sie geradestehen. Doch für ihr aggressives Verhalten trägt sie keine Schuld, weil sie es einfach noch nicht versteht:
    »Ich bin halt so, weiß auch nicht, warum. Gehör halt nicht zu den Braven, nach denen sich alle umdrehen.«
    »Stimmt, du gehörst zu den ›Bösen‹, doch umdrehen tut man sich auch nach dir, gerade wenn du Böses tust.«
    »Sie wären wohl auch gerne mal böse, muss ja langweilig sein, immer die Liebe spielen zu müssen.«
    »Ich spiele nicht, ich mag mich und andere Menschen, aber keine Angst, ich habe auch manchmal böse Gedanken, nur versuche ich sie nicht an anderen abzureagieren, sondern mir darüber klar zu werden, warum ich auf andere böse bin.«
    »Das ist mir zu anstrengend, ich bin so, kapiert!«
    »Die Vorstellung scheint dir Angst zu machen, dass du nicht so auf die Welt gekommen bist, sondern erst schmerzliche Erfahrungen dich so verändert haben...«
    »Die anderen haben Angst vor mir, ist doch cool.«
    »Ja, auf jeden Fall cooler, als wenn du Angst vor den anderen haben müsstest.«
     
    Nadine hat die ständigen Klagen ihrer Mutter über ein verpfuschtes Leben persönlich genommen, eine persönliche
Schuld daraus gemacht. Ein hässliches Selbstbild ist dabei geboren worden: Ich bin zwar schuld, aber mächtig.
    Viele, mitunter schon kleine Kinder, glauben, dass sie mächtig böse sind, weil sie die mögliche Unzufriedenheit der Eltern nicht als deren Problem sehen können. Ein kleines

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