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Damit Kindern kein Flügel bricht - Kindliche Verhaltensauffälligkeiten verstehen und ein gutes Familienklima fördern

Titel: Damit Kindern kein Flügel bricht - Kindliche Verhaltensauffälligkeiten verstehen und ein gutes Familienklima fördern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kösel
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muss im ersten wie im zweiten Ambivalenzkonflikt, der Junge hingegen im
ersten der Mutter, im zweiten dem Vater gegenübersteht. Was kann da schiefgehen?
    Beim Jungen entstehen Wünsche nach Identifizierung mit dem Vater und dessen Unterstützung bei der Ablösung von der Mutter. Gleichzeitig empfindet er ambivalente Gefühle dem Vater gegenüber, weil dieser ebenfalls Ansprüche an sein Liebesobjekt Mutter hat und im Gegensatz zum kleinen Jungen die sexuellen Bedürfnisse der Mutter auch befriedigen kann. Kleine Jungen akzeptieren diese väterliche Überlegenheit sehr schnell, wenn sie Aussicht haben, mithilfe des Vaters einmal selber groß und stark zu werden. Doch wenn diese Väter den kleinen Jungen ihr Interesse an ihnen und die notwendige Hilfe in der Ablösung von der Mutter verweigern, sie in ihrem Rivalisieren nicht ernst nehmen und demütigen oder, noch schlimmer, mit ihnen um die Liebe der Mutter zu rivalisieren beginnen und sie als Hindernis auf dem Weg zu ihrer Frau erleben, entstehen im Jungen Angst und Feindseligkeit dem Vater gegenüber. Der ersehnte Kontakt zum Vater wandelt sich dann in Hassgefühle um. Notwendige väterliche Gebote und Verbote werden dann nicht mehr integriert, sondern boykottiert. Daraus werden dann später Schüler, die mit jeder väterlichen Autoritätsfigur verbissen den Kampf suchen.
    Es gibt aber auch die Väter, die ihren Sohn unkritisch begleiten, ihm keine Frustrationen zumuten, keine Grenzen setzen und seine Größenfantasien unterstützen. Diese Väter verweigern dem Sohn nicht die aktive Unterstützung im Integrieren von Aggression, sondern sind passive Förderer dieser Aggression, indem sie in einer gewissen Selbstverblendung ihm vermitteln: Lass dir nichts gefallen, wir sind das starke Geschlecht, wir machen, was wir wollen... Uns kann keiner was, schon gar nicht Mütter. Dass sie damit nur Über-Ich-Defekte einleiten und natürliche Größenfantasien weit über das Alter des Kleinkindes hinaus verlängern, dämmert ihnen
oft erst viel später. Auch Sven glaubte, gestärkt und bestätigt durch den Vater, dass für ihn keine Regeln gelten dürfen.
Alexander: »Kein Fremder soll merken, wie wütend ich bin«
    Alexanders Mutter ruft an und vermittelt mir bereits am Telefon den Eindruck, mit ihrer Kraft am Ende zu sein. Alexander würde sich wie ein Teufel zu Hause benehmen. Anderswo hingegen sei er eher ruhig und unauffällig. In der Schule seien die Lehrer mit ihm sehr zufrieden, doch werde er von Mitschülern gemobbt, zumindest glaube sie es. »Wenn die Lehrer über ihn sprechen, denke ich, von wem reden die: ein liebes Kind, sehr nett?« Er mache ständig irgendwas kaputt zu Hause, habe schlimme Ausraster, »verwüstet das Wohnzimmer«, würde sie, die Mutter, auch treten und schlagen.
    Der zehnjährige Alexander kommt mit seinen Eltern und der drei Jahre älteren Schwester und zeigt sich im Erstgespräch als höflicher, wohlerzogener Junge, der ausführlich über die Schule spricht, »alle Lehrer mag«, »die ganze Klasse nett findet«. Nein, Hobbys habe er keine mehr, »bin ja jetzt im Gymnasium, da ist jetzt keine Zeit mehr dafür da... ist nicht schlimm.« Er sitzt die ganze Zeit eng an die Mutter geschmiegt auf dem Sofa, sie hat den Arm um ihn gelegt. Ein sehr harmonisches Bild geben die beiden ab. Vater und ältere Schwester sitzen einander gegenüber. Ich merke, wie Vater und ältere Schwester immer wieder aus meinem Blickfeld herausrutschen. Der Vater sagt kaum ein Wort, wird nicht erlebbar während des Gesprächs. Die Schwester ist sichtlich verärgert, dass es wieder einmal nur um ihren Bruder geht. »Der macht nur Stress, nervt... Und die Mama beklagt sich ständig. Doch ich finde, sie verhätschelt ihn, nur weil er besser in der Schule ist.«
    Über viele Stunden hinweg behält Alexander seine Höflichkeit, malt, bastelt - eher ungewöhnlich in diesem Alter -,
redet über belanglose, harmlose Dinge, seine Noten. Und ich verspüre zunehmend eine Leere zwischen uns und etwas unglaublich Angestrengtes. Er hält mich auf Abstand. Kontrastierend dazu die massiven Klagen seiner Mutter, dass es mit ihm nur schlimmer würde zu Hause. Er hätte erstmals seinen Vater angegriffen, da sei der ausgerastet und hätte ihm eine Ohrfeige gegeben. Alexander hätte dem Vater »voller Hass« entgegengeschleudert: »Aha, schlagen kannst du!«
    Dann kommt die 39. Stunde. Alexander kommt mit einem Ball unter dem Arm rein. Er habe heute keine Idee, was er machen könnte. »Keine

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