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Damit Kindern kein Flügel bricht - Kindliche Verhaltensauffälligkeiten verstehen und ein gutes Familienklima fördern

Titel: Damit Kindern kein Flügel bricht - Kindliche Verhaltensauffälligkeiten verstehen und ein gutes Familienklima fördern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kösel
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psychoanalytischer Therapeuten und Pädagogen« sei (Raue 2008, S. 160). Und, möchte ich hinzufügen, auch im Denken der Eltern. Wo kann also der Eltern-Kind-Dialog in der frühen Entwicklung aus der Bahn geraten?
    Schon ein Baby vermag exzessive Unlust zu empfinden. Das ist normal. Wenn das Baby Hunger verspürt, sich langweilt, die Windel voll hat, Wärme und Geborgenheit sucht, beginnt es zu schreien. Im Normalfall reagiert die hauptsächliche Betreuungsperson, meistens ist das die Mutter, auf das Weinen des Kindes und geht einfühlsam auf dessen Bedürfnisse ein. Das Baby (oder etwas später das Kleinkind) hat noch keine großen Möglichkeiten der Affektregulation. Es ist dabei auf die Hilfe der nächsten Bezugspersonen Mutter und
Vater und deren Einfühlung in sein Unlust- und Schmerzempfinden angewiesen. Nur sie können durch eine angemessene Reaktion die Unlust ihres Babys, die sich zu Schmerz und Wut steigern kann, mildern und regulieren. Misslingt diese Affektregulation wieder und wieder im frühen Eltern-Kind-Dialog, so kann das Baby eine entscheidende Erfahrung nicht machen: die Erfahrung einer verlässlichen Bindung und eines guten Objekts. Das Kleinkind, das in einer Unlustsituation die Erfahrung machen kann, dass ein gutes Objekt zur Verfügung steht und seine Unlust, seine Wut mildern kann, entwickelt eine feste Bindung an das geliebte Objekt und lernt in der Folge immer besser, Frustrationen auszuhalten.
    Henri Parens (1996) beschreibt zwei Ambivalenzkonflikte, welche für eine angemessene Aggressionsentwicklung von entscheidender Bedeutung sind. Der erste wird gegen Ende des ersten Lebensjahres bedeutsam und kommt dann im sogenannten Trotzalter, also bei den ersten Autonomiebestrebungen, zur vollen Blüte: Das Kind möchte etwas anderes als die Hauptbetreuungsperson. Es handelt sich dabei um einen dyadischen Konflikt auf der Zwei-Personen-Ebene. Ein sicher gebundenes Kind wird bei der Weigerung seiner Mutter, ihm einen Wunsch zu erfüllen, zuerst natürlich feindselige und destruktive Gefühle gegenüber seiner Mutter empfinden. Doch dann wird die Mutter ihm dabei helfen, diese für das Kind schwer erträglichen Gefühle - es liebt ja seine Mutter - einzuordnen und die Situation zu meistern. Wenn die Mutter (oder der Vater, wenn er die Hauptbetreuungsperson ist) auf die feindseligen Gefühle des Kindes hingegen mit eigener Feindseligkeit, Entsetzen und Ablehnung reagiert, weil die Wut des Kindes sie so verletzt und kränkt, dann steht sie dem Kind als regulierendes Objekt nicht mehr zur Verfügung und das Kind bleibt mit seinen feindseligen und destruktiven Impulsen allein. Es wird sprichwörtlich
überschwemmt von dem Gefühl, böse und hässlich zu sein, und wird, wenn diese unangemessenen Reaktionen der Mutter anhalten, Nähe als Bedrohung erleben und unter allen Umständen zu vermeiden versuchen. Die Hauptbetreuungsperson wird dann nicht mehr als gut und böse erlebt, sondern als gut oder böse. Auch das Kind wird sich, in Übereinstimmung mit den gemachten Objekterfahrungen, je nach Situation als nur gut oder nur böse erleben.
    Es gibt noch eine weitere Art, mit den feindseligen Impulsen eines Kleinkindes umzugehen, wenn die Destruktivität von den erwachsenen Betreuungspersonen nicht gut ausgehalten werden kann: Die Mutter unterwirft sich dem Kind und versucht dessen Feindseligkeit möglichst schnell ungeschehen zu machen, indem sie nachgibt. Damit bringt sie den kleinen Tyrannen oder die kleine Tyrannin in die Familie hinein, die wunderbar unauffällig sind, wenn alles nach ihrem Willen geht. Doch wehe, es wird ihnen ein Nein entgegengehalten, was für ein solches Kind den absoluten Kontrollverlust bedeutet und immense Ängste erzeugen kann, wie wir es bei Sven gesehen haben. Wir haben es da mit Kindern zu tun, die wenig oder gar keine Übung im Umgang mit Frustrationen entwickeln konnten.
    Der zweite Ambivalenzkonflikt, von welchem Parens spricht, beginnt im dritten Lebensjahr und hat triadischen Charakter, das heißt, im Zentrum steht die Dreieckskonstellation Vater-Mutter-Kind. Dabei geht es um den Ödipuskomplex oder um die Entdeckung des Kindes, dass es eine Paarbeziehung zwischen den Eltern gibt, von der es ausgeschlossen ist. Es empfindet Gefühle der Rivalität dem gleichen Elterngeschlecht gegenüber und will sich behaupten lernen. Parens weist darauf hin, dass der Unterschied zwischen Mädchen und Jungen darin liegt, dass das Mädchen sich sowohl der Mutter gegenüber behaupten

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