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Damon Knight's Collection 09 (FO 16)

Damon Knight's Collection 09 (FO 16)

Titel: Damon Knight's Collection 09 (FO 16) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Damon (Hrsg.) Knight
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sind untergegangen.“
    Drei Jahre. Belustigend und erschreckend, an alles zu denken, was ich in dieser Zeit gesehen habe, mehr als jeder andere Mensch. Und was habe ich gelernt? Das eine vielleicht, eine klare Sache, und dies zufällig, in den „Ruinen“ herumstöbernd. Ich fand eines ihrer Geräte zur Zeitmessung, das unerklärlicherweise den Rückfall überstanden hatte, eine Art mehrfach zusammengesetzter Sonnenuhr – und ich schloß daraus, daß diese Rasse die Zeit eher aus der Folge als vom Beginn her berechnet. (Ich überlasse es Dir zu entscheiden, ob dies eine philosophische oder psychologische Einsicht ist.) Das heißt, ihr Tag – oder Jahr oder Jahrhundert oder wie auch immer sie es bezeichnet haben mögen – scheint eher von der Neigung der Sonne als ihrem Aufgang begrenzt zu sein; und ich nehme an, daß dieses Schema, diese Perspektive verallgemeinert worden ist (oder daß es selbst einfach eine bereits vorherrschende Haltung ausdrückte). Ein Bestandteil dieses Mechanismus – ein seltsames Gerät, entweder Gleichrichter oder Antriebskontrolle, vielleicht beides – scheint vom Wind getrieben zu werden, und ich nehme an, daß dies eine komplexe Präzision in ihre Bemessungen bringt: eine Art äolische Uhr. Und nach diesem letzten Satz gab es eine lange Pause, während ich hier saß und versuchte zu denken: was kann ich jetzt sagen … Vor Stunden, als ich den Brief begann, hatte ich eine vage, instinktive Vorstellung von dem, was ich Dir sagen wollte. Jetzt ist alles verschwunden, wieder außer Reichweite, und alles, was ich für Dich und für mich habe, sind diese Seiten emphatischer Gestik: Schau. Sieh. Dies und den Beginn einer Epiphanie, eines alten Liedes aus den frühen Jahren der Dunklen Erde: „Zeit, Zeit wird von neuem aufgezogen.“ Und also sitze ich hier und schaue zu meinem Fenster hinaus, sehe die Stadt sich aufbauen und zerfallen. Ich starre auf ihre Uhr, die nicht mehr funktioniert und für mich nicht von Nutzen ist. Ich bin an das Meer gedrängt, und morgen wird Siva sprießen und sich ausdehnen bis hin zu diesen Wassern. Ich bin allein mit der Entscheidung, der alten Entscheidung: soll ich ausweichen?
    Ich lege meine Musik auf – meinen Bach, meinen Mozart, meinen Telemann –, und ich vollziehe ihren Rhythmus auf verchromten Kacheln nach. Für einen Augenblick verliere ich mich in ihr, für eine Weile entrinne ich dem Zusammenhalt und Fluß der Zeit …
    Und draußen jetzt füllt der Himmel sich mit Farbe, mit farbigen Bändern, die Bänder fallen, Nacht umwogt mich. Zwölfmal begann ich diesen Brief über Monate hinweg, und jedesmal versagte ich. Jetzt endlich, wie der Tag, den ich zu einem stammelnden Ende brachte. Ich habe Stunden ausgefüllt und Seiten. Und dennoch, alles was ich Dir zu bieten habe, ist dies: diese Aufzeichnung meiner Unfähigkeit. Die ich Dir mit meiner unauslöschlichen Liebe schicke.
    Dein Bruder
    John
     
    Am Abend beendete er den Brief und fühlte den Sog der See an seiner Brust.
    Er setzte sich an den leeren Tisch, den er als Schreibtisch benutzt hatte, schaute an die gegenüberliegende Wand. Darauf, zwei Reproduktionen und ein Spiegel, links darunter „Die Beständigkeit der Erinnerung“, dem gegenüber eines der Gemälde Monets von Nôtre-Dame. Glas, eingerahmt an seinem Platz, und festes Papier – festgenagelte Zeit, Zeit in der Schwebe, Zeit im Vorübergehen aufgezeichnet. Und darüber die Regale und Instrumente, die die Wände der Hütte bedeckten, wie auf einem Blatt Papier angeordnete Linien und Symbole.
    Er stand auf, sah sein Porträt im Spiegel: dieser Augenblick. Dahinter, drei Jahre. Dahinter, ein Leben. Und dahinter, nichts.
    (Nimm dies als heraldisches Bild: das Palimpsest, unvollkommen gelöscht.)
    Er durchschritt sein Zimmer, starrte auf die seltsamen, dreidimensionalen Objekte, die ihn umgaben, verstand nicht. Er verstand nicht. Er nahm das Ephemera-Chronometer in die Hand, drehte es in seinen Händen und stellte es zurück. Dann (vier Schritte) stand er neben dem Tonband. Töne machend, ihnen Form gebend. (All dies, alles so … lebendig, so klar umrissen. Klar und scharf wie eine Abstraktion einer Flache, unterteilt von Flächen, Winkeln und aufdringlich … hart, scharf auf flachem Grund.) Bach wurde durch die Lautsprecher geschüttelt, gewann an Volumen, als er an dem Regler drehte, nahm noch zu, als die Bässe brummten und die Wände zitterten. Und dann lief er über die nackte graue Erde vor seiner Hütte …
    Die Füße

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