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Damon Knights Collection 3

Damon Knights Collection 3

Titel: Damon Knights Collection 3 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Damon Knight
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umrankt, einen Gegenstand, den sie noch nie in ihrem Leben gesehen hatte, und schaute ganz langsam hinein. Da schaute sie, seltsam verdreht, aus dem Spiegel heraus, und hinter ihr die Kajüte, wie von oben gesehen, als könnte man in diesen Spiegel hinab zu diesen sonderbaren, hellen und umgekehrten Dingen steigen, als könnte man in diesen Spiegel fallen, winzig werden, davonkraxeln, und wenn man zurückblickte, sah man seine eigenen Riesenaugen aus einem Fenster hoch an der Wand starren. Frauen schauen, im Gegensatz zu der allgemeinen Auffassung, nicht immer in Spiegel, um sich selbst zu bewundern. Manchmal schauen sie nur hinein, um ihre Ringe und Armreifen abzustreifen, an ihren Ohrringen zu zupfen, ihre Halsketten aufzumachen, ihre schönen Gewänder abzulegen, die Schminke von ihren Gesichtern zu entfernen, bis die Knochen wie Speere hervorstehen, und die Schattierungen um ihre Augen abzuwischen, bis sie sehen und einfach nackte menschliche Gesichter betrachten können, Augen, die nicht mehr strahlend und wäßrig sind wie die Augen von Engeln und Göttinnen, sondern hart und klein wie eben Menschenaugen, kleine Kontrollpunkte, die immer etwas beunruhigend sind, immer etwas merkwürdig, weil sie nicht dazu bestimmt sind, betrachtet zu werden, sondern zu betrachten, und sich dann – mit einem Schauder, einem Beben – selbst wiederzufinden und von neuem zu schimmern und zu glänzen. Aber manche macht sich nichts daraus. Diese hier taumelte zurück, ließ den Spiegel fallen, stürzte über den Tisch (sie fuhr sich mit der Hand über die Augen) und ergriff – mehr nach dem Gefühl als durch Erkennen – den Knauf des Schwertes, das er ihr vor dreißig oder vierzig – oder waren es siebzig? – Jahren geschenkt hatte. Die Klinge trug noch nicht die ironische Devise, die sie später tragen sollte: Gute Manieren genügen nicht, aber trotzdem holte sie weit damit aus und spaltete, sich mit der Linken an die Bronzekette klammernd, mit der Schwarzbart seine Schatztruhe zu befestigen pflegte, das Schloß der Tür mit einem Schlag.
    So stark war Eisen damals.
    Es gibt Talent, und es gibt noch etwas anderes. Schwarzbart hatte das andere noch nie gesehen. Er fand sie, als der Kampf vorbei war, wie sie gerade den Fuß auf den Rücken eines toten Feindes stellte und versuchte, das Schwert herauszuziehen, das er ihr geschenkt hatte. Es gelang ihr mit einem Ruck, und sie rollte den Mann mit dem Fuß über Bord, ohne sich weiter um ihn zu kümmern; sie betrachtete einen verzierten Dolch in ihrer linken Hand, eine herrliche Waffe mit juwelenbesetztem Knauf und schlanker Klinge, in die Ranken und Blätter eingraviert waren. Sie bewunderte ihn sehr. Sie hielt ihn ihm hin und sagte: »Ist das nicht ein Prachtstück?« Eine lange Wunde klaffte an ihrem linken Arm, die sie abbekommen hatte, als sie versuchte, einen niedersausenden Streich mit nichts anderem als der um ihre Fingerknöchel gewickelten Bronzekette abzuwehren. Die Kette war nicht mehr da, sie hatte sie nur so lange benutzt, wie sie Überraschungswert besaß, und sie dann irgendwo, irgendwie verloren (wie, wußte sie nicht mehr genau). Er nahm den Dolch, und sie setzte sich plötzlich auf das Deck, ließ das Schwert fallen und fuhr sich mit beiden Händen über das Haar, um es immer wieder glatt zu streichen, ohne zu bemerken, daß ihre Handflächen lange rote Streifen darauf zurückließen. Das Deck sah so aus, als hätte es ein Affenstamm angemalt oder als hätte jeder – lebendig oder tot – sich rituell mit roter Farbe eingeschmiert. Die Sonne ging auf. Er setzte sich neben sie, aber zum Sprechen fehlte ihm der Atem. Mit der intensiven Aufmerksamkeit (aber das kommt erst ein oder zwei Jahrtausende später) eines Forschers, der die Linse eines Mikroskops einstellt, mit dem noblen, arroganten Gehabe eines Tennisstars schaute sie erst auf dem Deck umher, dann ihn an – und dann hinauf in den blauen Himmel.
    »So«, sagte sie und schloß die Augen.
    Er legte den Arm um sie; er wischte ihr Gesicht ab. Er streichelte ihren Nacken und dann ihre Schulter, aber nun begann seine Frau zu lachen, lauter und lauter, lehnte sich an ihn und lachte und lachte, bis sie sich krümmte und er dachte, sie hätte den Verstand verloren. »Was, zum Teufel, ist denn?« rief er, fast weinend. »Was, zum Teufel, ist denn?« Sie hörte an dem Punkte der Skala auf, an dem das Lachen einer Frau zum Kreischen wird; ihre Schultern zuckten krampfhaft, aber auch das unterdrückte sie rasch. Er

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