Dance of Shadows
gepackt, sodass sie nicht hinfiel.
Sie schaute hoch.
Es war Margaret. Ihre Haare waren klitschnass, und kleine Wassertropfen, die wie Perlen aussahen, liefen ihr übers Gesicht. »Ness, du musst aufpassen, wo du hinrennst!« Vor ihrem Haus fuhren die Autos vorbei. Vanessa war fast schon auf die Straße hinausgerannt, ohne nach rechts oder links zu schauen.
»Tut mir leid, Margaret«, hatte sie gesagt.
»Mach dir keine Sorgen.« Margaret hatte sie auf die Stirn geküsst. »Ich pass immer auf dich auf.«
Vanessa riss den Blick vom Gesicht ihrer Schwester los und schob das iPad von sich weg. »Ich … ich will nicht mehr weiterlesen.«
Blaine stupste sie mit der Schulter an. »Hey«, sagte er sanft, »alles in Ordnung mit dir?«
Vanessa nickte, aber sie konnte ihm nicht ins Gesicht sehen.
»Ach, Schätzchen, lass das«, sagte Blaine und strich mit dem Finger ihre Stirn glatt. »Wenn du in aller Abgeschiedenheit in deinem Zimmer so die Stirn runzeln willst, in Ordnung, meinetwegen – aber ich kann nicht danebensitzen und zuschauen, wie du diese wunderbare Haut mit Falten entstellst.«
TJ stieß ihn mit dem Ellbogen an. »Lass sie in Ruhe!«
»Ich meine es ernst«, sagte Blaine. »Es ist ja nicht so, dass wir bis in alle Ewigkeit so toll aussehen wie heute. Wir müssen Vorsorge für die Zukunft treffen.«
TJ verdrehte die Augen. »Möchtest du darüber reden?«, fragte sie Vanessa.
Vanessa biss sich auf die Lippe. »Da gibt es nichts zu sagen. Alles, was ich weiß, steht vermutlich in diesem Artikel.«
Aber Blaine gab nicht auf. »Bist du sicher, dass du nichts sagen willst? Wirklich absolut sicher?«
»Ja, bin ich«, sagte sie und schaute ihn an. »Mir geht’s gut. Das alles ist schon so lange her.«
Blaine seufzte melodramatisch. »Gut«, sagte er. »Aber ich hoffe, du machst dir eines klar: Wenn du irgendjemand anderes wärst, würde ich dir so lange in den Ohren liegen, bis du mit mir redest. Du weißt doch, wie sehr ich Ungewissheit hasse.«
Vanessa musste wider Willen lachen.
»Jetzt aber mal im Ernst«, sagte Blaine mit veränderter Stimme. »Du weißt hoffentlich, dass du mit uns reden kannst? Wann immer dir danach ist.«
»Du bist nicht unbedingt derjenige, dem ich meine dunkelsten Geheimnisse anvertrauen würde«, sagte TJ zu Blaine. »Nimm’s bitte nicht persönlich.«
Blaine schwieg einen Moment. »Ich weiß, dass ich ein echter Komiker bin – und obendrein noch ziemlich schrill rüberkomme. Aber ich kann auch ernst sein. Es ist eben einfacher, sich über sich selbst lustig zu machen, bevor es andere Leute tun.«
TJ verzog den Mund und klopfte Blaine auf die Schulter. »Ich hab’s kapiert.«
Vanessa war überrascht, wie nahe sie sich ihren neuen Freunden fühlte. »Ich habe gerade auch die Rolle des Feuervogels bekommen«, sagte sie leise. »Vielleicht bin ich ja die Nächste.«
»Die Nächste – mit was denn?«, fragte Steffie. »Vielleicht sind diese ganzen Mädchen verschwunden, weil sie sich zu sehr haben stressen lassen. Vielleicht sind sie weggelaufen oder haben einfach aufgehört, ohne den anderen Bescheid zu sagen. Es muss nicht unbedingt etwas Schlimmes dahinterstecken.«
»Und wenn doch?«, sagte Vanessa. »So viele Zufälle auf einmal – du musst doch zugeben, das ist verdächtig. Ich glaube, dass ein Musterdahintersteckt. Mädchen, die den Solopart tanzen, verschwinden, ohne eine Spur zu hinterlassen. Aber wenn es da ein Muster gibt – ein Muster, das offenbar bereits seit zwanzig Jahren existiert –, dann bedeutet das, dass jemand oder etwas dahintersteckt. Hab ich recht?« Sie schaute ihre Freunde an. »Warum würde es sonst immer nur die Mädchen betreffen, die den Feuervogel tanzen?«
»Vielleicht ist es ja ein ganz besonders schwieriger Tanz«, sagte TJ.
Vanessa schüttelte den Kopf. »So schwierig, dass jede Tänzerin deswegen aufhört? Das glaube ich nicht.«
»Aber was könnte ihr Verschwinden denn sonst für Ursachen haben?«, fragte TJ weiter. »Steffie hat gesagt, dass die meisten Mädchen, die verschwunden sind, die Hauptrolle im
Feuervogel
getanzt haben. Aber nicht alle! Wie zum Beispiel Elly. Sie sollte in keiner Aufführung mittanzen. Das passt doch hinten und vorn alles nicht zusammen!«
Blaine lächelte kurz. »Nur hinten oder nur vorne würde doch auch schon ausreichen.« Die Mädchen starrten ihn genervt an. »Was denn?«, sagte er. »Stimmt doch!«
Vanessa ignorierte ihn und stützte das Kinn in die Hand. Irgendwie hatte sie nie recht
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