Dancing Jax - 01 - Auftakt
und eine Brille verpasst.«
»Weil Sie alles so runtergeleiert haben, dass ich kein Wort verstanden hab. Sie sind ’n echt mieser Lehrer.«
»Musst du eigentlich immer so unverschämt und arrogant sein?«
»Bin nur ehrlich.«
»Nein, du bist widerlich und frech – da gibt es einen riesigen Unterschied, Emma.«
»So bin ich halt, okay?«
»Wie kommst du nur darauf, dass dein Benehmen etwas ist, worauf du stolz sein könntest? Das ist nämlich ganz und gar nicht der Fall. Du verhältst dich wie dummer Abschaum, Emma Taylor! Reiß dich zusammen und mach was Besseres aus deinem Leben!«
»Hey, so dürfen Sie nich mit mir reden!«
»Oh, du wirst feststellen, dass ich das sehr wohl darf- ich bin hier der Lehrer.«
»Ach ja? Mir haben Sie jedenfalls noch nie was beigebracht.«
Martin lachte. »Was das angeht, sind wir ausnahmsweise mal einer Meinung«, sagte er. »In all den Jahren, in denen du diese Schule besuchst, hast du nicht das Geringste gelernt. Und deshalb wirst du auch die Prüfung im Sommer nicht bestehen und ein völlig beschissenes Leben führen, in dem du dich als Schmarotzer vom Staat durchfüttern lässt.«
»Dann sagen Sie mir doch, wies geht!«
»Hast du dreißig Kröten?«
»Hä?«
»So viel kostet eine Stunde Privatunterricht. Ich werde nämlich ganz bestimmt nicht noch mehr Unterrichtszeit verschwenden, indem ich mich immerzu wiederhole. Wenn du nicht den Verstand oder Anstand besitzt, beim ersten Mal zuzuhören, hast du Pech gehabt – meine Freizeit opfere ich nicht auch noch dafür, absolut nichts bei dir zu erreichen.«
Ein oder zwei der Schüler ohne Spielkarte kicherten, doch Emma setzte eine gleichgültige Miene auf und zuckte mit den Schultern.
Dann klingelte es zum Stundenende. Fünf Kinder sprangen auf und hasteten nach draußen. Zweiundzwanzig Kartenträger standen – beinahe gleichzeitig – auf, um im Gänsemarsch den Raum zu verlassen.
»Also, meinen Sie, es war Spee oder Persil, Sir?«, fragte Emma den Lehrer plötzlich. Jetzt war es Martin, der ihr nicht folgen konnte.
Emma schmiss ihren Kram in ihren Rucksack. »Womit die sich das Hirn gewaschen haben«, keifte sie, während sie sich an den anderen vorbeiboxte. »Vielleicht bin ich dummer Abschaum, aber wenigstens bin ich kein hirnloser Zombie wie die bekloppten Hohlköpfe da. Sie – und der Rest dieser ätzenden Stadt – sollten endlich mal aufwachen und am Cappuccino schnuppern, weil das hier … das is nicht normal! Aus dem Weg, ihr Loser!«
Martin musste ihr recht geben. Etwas war ganz und gar falsch. Er sammelte seine Bücher ein, legte sie in seinen Koffer und folgte den Kindern nach draußen. Auf der Türschwelle hielt er inne. Sandra Dixon war noch im Zimmer. Er wollte sie rufen und zur Eile anspornen, doch was er sah, ließ ihm den Atem stocken.
Das Mädchen war langsam quer durchs Zimmer und bis zum Mülleimer gelaufen. Dort angekommen stierte sie einen Moment ins Innere, bückte sich dann, griff hinein und fischte den Klumpen heraus, den Owen weggeworfen hatte – noch immer glitzerte sein Speichel darauf. Spitzerreste klebten daran, doch das störte Sandra nicht. Ohne zu zögern, steckte sie sich die Masse in den Mund und begann, mit genussvoll geschlossenen Augen zu lutschen.
Martin war zu perplex und angewidert, um etwas zu sagen. Er lehnte sich im Flur an die Wand, während das Dixon-Mädchen an ihm vorbeischlenderte, ohne ihn auch nur wahrzunehmen.
»Mein Gott«, flüsterte er. »Was zum Teufel geht hier vor?«
In der ersten Pause saß Paul allein am Rand des Pausenhofs und beobachtete die übrigen Kinder. Die Anzahl derer, die Spielkarten an der Kleidung trugen, hatte sich seit gestern verdoppelt. Entweder standen sie in Gruppen beisammen und lasen sich gegenseitig aus diesem verhassten Buch vor, übten Tänze oder tauschten den letzten Tratsch »vom Hofe« aus. Einige hatten irgendeine abscheuliche gelbgraue Substanz an den Lippen. Paul verstand das alles nicht.
Er sehnte das Ende des Tages herbei, damit er endlich zu Gerald konnte, um ihm alles zu erzählen, was er wusste. Er war sich sicher, dass sein Klavierlehrer zuhören würde.
»Paul?«, erklang eine Stimme ganz in der Nähe. Als der Junge aufschaute, sah er Martin.
»Was willst du?«, fuhr Paul ihn an. »Ich geh nicht zu dieser Psychologin!«
»Beruhige dich, das weiß ich doch. Ich habe nachgedacht … über das, was du von diesem Buch erzählt hast.«
Paul stand auf. »Was ist damit?«
»Was genau wolltest du deiner Mum
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