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Dancing Jax - 01 - Auftakt

Dancing Jax - 01 - Auftakt

Titel: Dancing Jax - 01 - Auftakt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ma2
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neulich bei mir – wegen Paul. Der Sohn meiner Lebensgefährtin …?«
    Labellas große dunkle Augen blieben nichtssagend. »Dann vielleicht etwas Minchet?«, schlug sie mit bleierner Stimme vor.
    Martin spürte noch immer die forschenden Blicke der Harlekine auf sich. Ihm war klar, dass ihm nicht viel Zeit blieb, und er unterdrückte die aufsteigende Panik. »Shiela!«
    »Labella«, korrigierte sie ihn. »Ich bin die Hohepriesterin, Gefährtin des Ismus. Ich kenne Euch nicht. Ich weiß auch nicht, welchen Platz Ihr bei Hofe einnehmt. Wenn Ihr nicht hier seid, um etwas zu kaufen, dann solltet Ihr wieder gehen.«
    Martin hätte sie am liebsten gepackt und geschüttelt, aber das hätte auch nichts gebracht. »Bitte«, flehte er. »Du bist meine letzte Hoffnung, meine einzige Chance. Bitte hör mir zu, bitte erinnere dich – ich bin Mr Baxter …«
    Die Frau starrte mit leeren Augen direkt durch ihn hindurch. »Abtrünnige sind nicht geduldet«, stellte sie kalt fest. »Man wird sie zusammentreiben und zwingen, das Königreich des Prinzen der Dämmerung zu betreten, auf welchem Weg auch immer.«
    Martin wich zurück. Jetzt war alles aus. Ohne Shielas Hilfe konnten sie Paul unmöglich aus den Fängen des Ismus befreien. Er und Carol würden Felixstowe ohne ihn verlassen müssen. Aber wie sollte er das schaffen? Carol würde sich nie und nimmer darauf einlassen. Martin kratzte sich am Kopf. Wenn es doch nur einen Weg gäbe, den bösen Bann zu durchbrechen, mit dem das Buch Shiela belegt hatte. Wenn er nur irgendwie zu ihrem wahren Ich durchdringen könnte …
    Martin stieß einen Schrei aus und schlug sich mit der Faust in die offene Hand. Ja, es war eine dumme, verrückte Idee, trotzdem musste er es probieren. Hastig durchwühlte er seine Taschen auf der Suche nach Stift und Papier. Die Leute rempelten ihn an und schoben sich an ihm vorbei, doch er ignorierte sie und konzentrierte sich auf seinen Plan. Es war ein Spiel, ein Rätsel aus der Zeit, als Shiela noch seine Schülerin gewesen war.
    Mit zitternden Fingern schrieb er etwas auf den Zettel, den er gefunden hatte – so deutlich es seine flatternden Nerven zuließen. Dann drängelte er sich erneut nach vorn.
    »Hier!«, schrie er und drückte Labella das Stück Papier in die Hand. »Lies es! Lies!«
    Die Hohepriesterin nahm ihn kaum wahr, sondern bediente weiter die herbeiströmenden Menschen. Martin bemerkte, wie die Harlekin-Priester sich drohend auf ihn zubewegten. Einmal noch rief er Labella zu, sich den Zettel wenigstens anzusehen, dann zog er sich zurück. Es hatte keinen Sinn. Völlig aufgelöst stolperte er davon, um diesem aufgebrachten Mob auf kürzestem Weg zu entkommen. Er wischte sich über die Augen, torkelte bis zum Rand der Menge und fand sich an der Kaimauer wieder. Ein paar wenige Schritte schleppte er sich noch weiter, dann setzte er sich und vergrub das Gesicht in den Händen. Wie ein tröstendes Streicheln schwappte das Rauschen des Meeres über ihn.
    Am Transporter überreichte Labella gerade einer aufgeregten Frau in Uniform eine Ausgabe von Dancing Jacks. Es war die selbstgerechte Polizistin, die Barry Milligan so viel Verachtung entgegengebracht hatte. Sie bezahlte mit einer Handvoll Geld und schnappte gierig nach dem Buch.
    »Ich bin die Wirtin am Ort«, murmelte sie. »Ich bin die Wirtin, die Wirtin des Gasthauses …«
    Labella gab das Geld an den Jangler weiter, der es gut gelaunt in die große Holzkiste warf. Dann blickte die Hohepriesterin auf ihre Hand. Noch immer hielt sie den Zettel fest, den der Abtrünnige ihr gegeben hatte. Mit einem Anflug von Verwirrung strich sie ihn glatt und starrte auf das, was darauf gekritzelt war.
     
    Wenn y = 5, dann gilt:
    y(y 6 – 8y 3 + 4) + 2(y 5 + y 4 + y 3 – 8) • 10 -5 =?
     
    Labellas Stirn legte sich in Falten. Ein Funken einer trüben Erinnerung flackerte auf. Schwach besann sie sich darauf, dass sie Zahlen einmal geliebt hatte. In der grauen Zeit hatte die Frau Shiela eine unbändige Freude daran gehabt, Gleichungen wie diese zu lösen. Fasziniert legte sie den Kopf schräg. Dann schaltete sich ihr Gedächtnis stotternd wie die Zündflamme eines Gasboilers wieder ein. Sie trat von dem Tischgestell zurück, schlenderte zum Lieferwagen – fort von den Rufen der Menge – und ließ sich die Aufgabe aufmerksam durch den Kopf gehen. Die Zahlen schienen ihren Geist zu befreien und wieder in Schwung zu bringen. Der Schleier hob sich und auf einmal war die Welt wieder voller bunter Farben.

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