Dancing Jax - 01 - Auftakt
Aber ohne Spielkarte lässt Mauger Sie nicht vorbei und heute ist niemand unter einer Neun zugelassen. Tragen Sie eine Zehn, dann gibt es keine Probleme – die steht für Adelige und Ritter. Holen Sie Ihren Kleinen da raus, Mr Baxter. Sie haben ja keine Ahnung, was uns noch bevorsteht.«
Martin blickte ihr in die Augen. »Oh doch. Glaub mir.«
»Nein, hören Sie: Diese Frucht ist nicht nur dazu da, die Leute in Sklaven zu verwandeln. Sie ist das Futter für die Wesen, die noch kommen.«
»Was?«
»Das Buch ist nur die erste Phase. Es gibt Wesen – grässliche, furchtbare Wesen –, die nur darauf warten, endlich freigelassen zu werden, zu uns zu kriechen und zu krabbeln. Der Ismus, Jezza, Austerly Fellows, wer er auch sein mag, er will diesen Ort verwandeln – nicht nur die Stadt …«
»… in ein Abbild der Hölle«, murmelte der Mathematiklehrer.
»Genau. Und wenn er damit fertig ist, dann wird der Prinz der Dämmerung auferstehen.«
Martin trat einen Schritt zurück. Er konnte nicht klar denken. Es war zu überwältigend, zu abscheulich, um es zu begreifen. Er zwang sich, an Paul zu denken. Auf ihn musste er sich konzentrieren. »Ich muss los.«
»Ich komme bald nach«, versprach Shiela. »Und bringen Sie den Jungen von hier weg. So weit wie möglich. Und … Mr Baxter … vielen Dank.«
Martin nickte ihr zu und rannte dann zurück zu Geralds Auto.
Shiela sah ihm nach, dann wandte sie sich wieder zu der Horde erwartungsvoller Menschen um und atmete tief durch, um sich zu sammeln. Sie musste jetzt alles geben – sie musste zurückgehen und wieder Labella sein.
»Scheiße!«, zischte sie. »Ich brauche unbedingt eine Zigarette!«
Sie riss sich zusammen und schritt dann würdevoll zurück zum Transporter. Die Harlekin-Priester erwarteten sie bereits. Ihre grimmigen, anklagenden Blicke sprachen für sich. Die Spitzen ihrer kleinen Stäbe zeigten auf die schwarzen Rauten auf ihren Umhängen.
»Nein«, wimmerte Shiela.
31
Singt der Herrlichkeit des Prinzen der Dämmerung, auf dass sein Exil umso früher enden möge! Ruft die Minnesänger herbei und schließt euch dem Reigen an. Im Namen des Heiligen Magus. So möge es sein!
Martin fuhr wie ein Wahnsinniger durch die verlassene Stadt. Ein einziges Mal hielt er an, um zu einem Zeitungskiosk zu stürmen. Doch der Laden war geschlossen. Wütend trat Martin gegen die Tür. Er musste dort hinein! Er hämmerte gegen das Schaufenster und brüllte, so laut er konnte, doch niemand antwortete. Also rannte er zurück zum Auto und öffnete den Kofferraum. Ein karamellfarbenes Lederkostüm fand er dort nicht, wie er letzte Nacht noch angenommen hatte, dafür einen Ersatzreifen und einen Wagenheber. Letzteren griff Martin sich, um ihn mit voller Wucht gegen das Schaufenster des Kiosks zu schleudern. Wie ein Spinnennetz tauchten kleine Sprünge im Glas auf. Wieder und wieder ließ er das Werkzeug dagegenknallen, bis das Fenster schließlich völlig zerbarst. Martin trat über die knirschenden Glaskrumen und durchwühlte panisch die Regale.
Er fand einen Pack Spielkarten und riss ihn auf. Als Nächstes öffnete er unsanft eine Dose mit Sicherheitsnadeln. Bevor er ging, hielt er noch einmal inne. In der Wohnung über dem Laden hörte er den Singsang mehrerer Stimmen. Der Kioskbesitzer und seine Familie lasen gemeinsam aus Dancing Jacks. Martin sah sie vor sich, wie sie vor- und zurückwankten. Zu allem entschlossen, eilte er zurück zum Auto.
Auf der Cliff Road war weit und breit kein anderes Fahrzeug zu sehen. Martin raste die Straße so schnell entlang, wie noch nie in seinem Leben. Es war noch immer Vormittag, erst elf Uhr. Das Meer zu seiner Rechten erstreckte sich glitzernd unter einer hellen Wintersonne und schien zur Abwechslung einmal wirklich blau zu sein. Doch seine strahlende Schönheit fiel Martin nicht auf. Er wünschte, er hätte daran gedacht, Carols Handy mitzunehmen. Wie gerne hätte er sie nun angerufen, um ihr zu versichern, dass alles gut werden würde. In wenigen Stunden würden sie gemeinsam mit Paul diesen Ort weit hinter sich lassen.
Doch wie sollten sie den Rest der Welt von dem überzeugen, was sich hier abspielte?
Plötzlich sah er, dass ein Stück weiter vorne eine Reihe Autos die Straße blockierte. Es handelte sich um Streifenwagen, neben denen mehrere Polizisten standen. Martin bremste sofort ab und überlegte, was das zu bedeuten hatte. Als er näher kam, konnte er hinter der Blockade den Bunker erkennen. Anscheinend war der
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