Dancing Jax - 02 - Zwischenspiel
noch nicht erlebt«, gab Lee zu. »Aber es gibt alle möglichen krassen Sachen, die in ihnen leben – und unter ihnen. Und wenn du weiter so rumblödelst, überlebst du hier nicht lange.«
»’tschuldigung«, sagte Maggie zerknirscht. »Ich bin einfach so hin und weg, hier zu sein. Es ist echt – ich meine, wirklich echt! Und es ist gigantisch!«
»Die Besuchszeit ist vorbei.« Lee klang entschlossen. »Nehmt meine Hände. Nach acht komme ich allein wieder, im richtigen Outfit, und finde dieses blöde Ding.«
Spencer verschränkte bockig die Arme.
»Mit ein bisschen Pech könnten diese Riesennasen deinen kleinen Arsch gerade über dem Feuer rösten!«, fuhr Lee ihn an. »Das kriegen die hin – oder noch Schlimmeres. Muss ich dich an das erinnern, was sie vorhin abgezogen haben? Im Ernst?«
»Alasdair ist da«, entgegnete Spencer. »Er wird nicht zulassen, dass uns was passiert.«
»Meinst du?«
»Ja. Ich vertraue ihm und du solltest das langsam auch tun. Ich hab gesehen, was er für ein Gesicht zieht, jedes Mal, wenn er ausgeschlossen wird. Und ich weiß genau, wie sich das anfühlt, wusste ich schon vor Dancing Jax. Egal, was er gemacht oder gesagt hat, Alasdair tut es ehrlich leid.«
»Das ändert gar nichts! Trotzdem kann er diese –« Lee fuhr herum. Er hatte etwas gehört – Musik. Und zwar ganz in der Nähe.
Er zischte Maggie und Spencer zu, in Deckung zu gehen. Sie spähten über die schneebedeckten Wurzeln eines Baums und verbargen ihre Atemwolken hinter den Händen.
Der Wald lag an einem leichten Hang. Ein kleines Stückchen weiter unten konnte man durch eine Lücke zwischen den vereisten Bäumen auf einen Pfad blicken, der sich durch den Wald schlängelte. Darauf wanderten mehrere Gestalten.
Maggie presste die Lippen aufeinander, um nicht vor Entzücken aufzuschreien.
Es war ein Zug von Waldbewohnern: Tiere und andere merkwürdige Wesen, die hier hausten. Angeführt wurde die Prozession von einer wunderschönen hellbraunen Hirschkuh, auf deren Rücken drei Bergwichte ritten. Es handelte sich um Brüder, die unter der Erde nach Mondperlen und Wunschsteinen gruben. Ausnahmsweise zankten sie einmal nicht, sondern spielten auf ihren Instrumenten: einer Flöte, einer Trommel und einem Leierkasten. Hinter ihnen schritt ein Dachs an einer langen silbernen Leine, die von einer dünnen Gestalt in einer pflaumenfarbenen Robe und einem Zylinder mit passenden Hutbändern auf dem Kopf gehalten wurde. Dahinter folgten zwei Wiesel und eine Gruppe aus Eichhörnchen, Hermelinen, Füchsen, Hasen und mehreren Wildkatzen. Sämtliche Tiere liefen auf den Hinterbeinen und trugen Zweige von Efeu in den Pfoten, die sie im Takt zum Mittwinterlied der Wichte schwangen.
»Gute Geister nah und fern, leiht uns euer Ohr.
Kommt, folget uns, denn weit und breit
steht geöffnet jedes Tor.
Wir treiben aus die Finsternis,
mit Trommel und lautem Schall.
Den Winter und die Kälte, die bringen wir zu Fall.
Lang genug, liebe Sonne, hast du geruht.
Wir bitten dich, erwache!
Auf dass bald Licht und Freude naht,
Frau Sonne, komm und lache!«
Maggie war wie verzaubert. Es war das herrlichste, wenn auch bizarrste Spektakel, das sie je erlebt hatte. Fremdartige Wesen zogen vorüber. Einige waren komische, verkrüppelte Gestalten mit langen, schnabelartigen Nasen, von denen Eiszapfen hingen oder auf denen Rotkehlchen hüpften. Andere trugen derart riesige Hüte oder waren so in ihre Schals oder Bärte gemummelt, dass man sie kaum erkennen konnte. Eine kleine bärtige, dicke Frau ritt auf einem Wildschwein, das mit Girlanden aus tiefroten Beeren geschmückt war. Mitten unter ihnen schritt ein ehrwürdig wirkender Zweigwichtel in einer rostbraunen Robe auf und ab, in der Hand einen Stab, an dessen Spitze ein goldenes Sonnensymbol prangte. Er sorgte dafür, dass alle in einer ordentlichen Reihe liefen, und erinnerte die Tiere daran, dass an diesem besonderen Tag keiner den anderen fressen durfte.
Am Ende des Zuges trottete auf allen vieren ein riesiger Bär, dessen zotteliges Fell die Farbe von Zimt hatte. Keiner wagte es, auf seinem Rücken zu reiten. Er wandte die Schnauze in die Richtung, wo sich Lee, Maggie und Spencer versteckt hielten, und schnüffelte. Seine wilden bernsteinfarbenen Augen glitzerten. Dann schüttelte er das Haupt und setzte seinen Weg fort.
Als die Musik in der Ferne verklang, hoben sich Maggies Augenbrauen. »Wow!« war alles, was sie herausbrachte.
»Psst!«, zischte Lee. »Es ist noch
Weitere Kostenlose Bücher