Dancing Jax - 02 - Zwischenspiel
Lippen.
Jack, der Kreuzbube, kam immer erst sehr spät in den Bankettsaal, weil er nicht zuließ, dass ein Stallbursche Ironheart, sein prächtiges Pferd, versorgte. Er tat es lieber selbst, sprach mit dem Ross wie mit einer Geliebten und schlief gar oft im Stall, denn Ironheart war das letzte der unzähmbaren Rosse und im ganzen Land gab es kein stattlicheres Tier.
Columbine fuhr ungeduldig mit ihren rauen Fingern über die hölzerne Rückwand und konnte es kaum erwarten, den gut aussehenden Buben endlich zu Gesicht zu bekommen. Er war der Stolz von Mooncaster, der Held vieler Herzen, und sein goldenes Haar und seine feste Stimme geisterten Nacht für Nacht durch ihre Träume, wenn sie nicht hier an diesem Ort war.
Doch dann verstummten die Gespräche am Hofe und der Kreuzbube schritt durch das Haupttor. Er spaßte mit der Herzdame, die vortrat und ihn mit ihrer Schönheit bezirzen wollte. Dann tauschte er einige höfliche Worte mit seinem Vater, dem Kreuzkönig.
Columbine sog jede Einzelheit gierig in sich auf: sein gelocktes Haar, das leuchtete wie Schafsvlies im Sonnenuntergang; den weichen, feinen Schnurrbart, dessen Enden sich kringelten und sein gewinnendes Lächeln noch betonten. Die Ärmel seines weichen Hemdes waren bis über die Ellbogen hochgekrempelt und Columbine schlang die schmutzigen Arme um sich, atemlos und wie so oft in Tagträume versunken. Sie schloss die Augen und genoss die wohligen Schauer, die sie durchfuhren.
Plötzlich packte eine echte Hand nach ihr und griff sie am Arm. Columbine keuchte erschrocken auf, als ein hochgewachsener, beleibter Mann hinter der spanischen Wand zum Vorschein kam.
»Har, har, har«, kicherte er.
Es war der Jockey, der eine im ganzen Hofstaat, den jeder in Mooncaster fürchtete. Er spielte allen böse Streiche und war immerzu darauf aus, Zwietracht und Streit zwischen Freunden und Nachbarn zu säen. Sogar der Ismus betrachtete seine Anwesenheit als nervenaufreibend und unberechenbar.
Er schob seinen mächtigen Leibesumfang näher heran, sodass das karamellfarbene Leder seines mehr als straff sitzenden Anzugs vor Anstrengung knarzte. Columbine wollte sich aus seiner Umklammerung lösen, doch es war zwecklos.
»Du schmachtest nach teuren Schätzen«, gackerte er. »Doch welch schöne Augen du hast, so grün wie der Stein im Kopf eines Wunschfroschs. Wie sie funkeln und blitzen! So voller Hass – so viel Stolz in einer Magd von so niedrigem Stand!«
»Mein Arm!«, beschwerte sie sich. »Ihr tut mir weh, Mylord.«
»Har, har, har«, lachte er. »Bei dem ganzen Dreck auf deiner Haut wird sich ein blauer Fleck kaum bemerkbar machen!«
»Ich werde schreien.«
»Bitte, tu dir keinen Zwang an. Doch keiner wird dir zu Hilfe eilen. Dem Jockey stellt sich keiner in den Weg.«
Columbine boxte ihm in die dicke Wampe und sogleich lockerte sich sein Griff. Auf der Stelle fuhr sie herum und wetzte die Treppe hinab, zurück in die Küche.
Hinter ihr folgte das Knarzen und Quietschen des Lederkostüms. Auf Zehenspitzen trippelte der Jockey ihr hinterher.
Das Mädchen rannte so schnell zurück an ihren Platz, dass die aufgehäuften Gänsefedern in die Luft stoben.
»Und wo steckt nur unsere Meisterin Slab?«, fragte der Jockey, während er näher kam. »Wie kommt es, dass sie nicht über ihren Kochtöpfen kauert?«
»Sie ist im Schlachthaus«, antwortete das verängstigte Mädchen.
Der Jockey lachte. »Ach, richtig – ’s ist Wursttag. Wie sehr die Punchinello-Garde doch ihre Würste vergöttert! Und wie leicht sie sich damit bestechen lassen! Wenn du doch auch so leicht um den Finger zu wickeln wärest, meine dreckige kleine Küchenmagd. Doch nun sind wir völlig unter uns, nur tote Gänse sind unsere Zeugen, doch die werden sicherlich keine Geheimnisse ausschnattern.«
»Bleibt mir vom Leib!«, flehte Columbine und streckte die Hand nach einem Messer aus. »Sonst wird heute noch ein fettes Schwein abgestochen!«
Der Mann zögerte. Ja, sie meinte es wirklich ernst – doch das stachelte ihn nur umso mehr an.
»Schon oft habe ich dich mit Blicken verfolgt.« Wachsam tänzelte er von einer Seite zur anderen. »Deine Hände sind voller Schwielen, einer Ochsenzunge gleich, und den Schmutz und Ruß auf deiner Haut übertrifft nur noch der Misthaufenmann. Dennoch … Ich beobachte dich schon lange und bin dir verfallen. Je schmutziger du bist, desto mehr wirkst du wie eine Königin. Eine himmlische Göttin, die zu uns herabgestiegen ist, verhüllt in Lumpen und
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