Dancing Jax - 02 - Zwischenspiel
dankbares Waldweib bitten würdest? Granny steht in deiner Schuld und die muss sogleich beglichen werden.«
Um ein Haar hätte Columbine gelacht, doch sie wollte die Gefühle der alten Frau nicht verletzen und riss sich zusammen. Was könnte ihr jemand geben, der so furchtbar arm war?
»Ich habe keinen Wunsch.«
Mit glitzernden Augen beugte sich die alte Frau zu ihr. »Und doch erzählt dein Gesicht etwas anderes! Auf Wangen, so ruß- und ascheverschmiert, hinterlassen Tränen deutliche Spuren. Obendrein sehe ich blutige Hinterlassenschaften von Gewalt an dir. Wie bist du zu solch gräulichen Striemen gekommen? Was bekümmert dich? Klage Granny dein Leid, sie mag einen Weg finden, es zu lindern.«
Also erzählte Columbine der Alten, was geschehen war, wie der Jockey sie erwischt hatte, als sie den Kreuzbuben beobachtete, und sie berichtete von seiner unerwünschten Aufdringlichkeit.
»Er hat geschworen, später wiederzukommen«, schloss sie. »Aber ich werde ihm nicht nachgeben. Er oder ich, einer wird sterben.«
Zu ihrer Überraschung begann das alte Weib zu kichern. Damit hätte Columbine nun wirklich nicht gerechnet.
»Ich meine es ernst!«, rief sie. »Lieber baumle ich am Galgen, als zuzulassen, dass dieser fette Bösewicht meine Unschuld raubt!«
Granny Oakwright klopfte sich auf die knochigen Schenkel und lachte nur noch lauter.
»Ich begreife wirklich nicht, was daran spaßig sein soll!«, schrie das Mädchen aufgebracht. »Meine Lage ist hoffnungslos und misslich. Ist das Euer Dank für meine Hilfe? Schweigt, ich bitte Euch, alte Frau! Wie könnt Ihr nur so grausam über mein Schicksal lachen?«
Die Frau beruhigte sich und heftete ihren Blick auf das Mädchen, der so von Kraft strotzte, dass es Columbine den Atem verschlug und sie einen Schritt zurückwich.
»Ein großes Herz magst du haben, Kind«, sagte Granny Oakwright mit nun durchdringender Stimme. »Dafür ist es mit deinem Verstand nicht weit her. Lassen wir die Possen. Keine Täuschungen mehr, Schluss mit dem armen alten, dankbaren Großmütterchen!«
»Ich verstehe nicht …«
Die Frau zog ein ernstes und durchaus säuerliches Gesicht. »Glaubst du tatsächlich, dass irgendein vom Alter gebeugter Waldbewohner diesem tödlichen Frost zum Trotz seine erbärmliche Behausung verlassen und den weiten Weg auf sich nehmen würde, um an dieser Tür zu betteln? Hestia Slab ist in ganz Mooncaster berühmt für ihren Geiz. Sie ist ja selbst zu knauserig, um die Fallen mit Ködern zu bestücken. Kein Wunder, dass in ihrer Küche die Mäuse tanzen – ich höre eine, gleich dort drüben beim Salzsack. Kein armer Schlucker mit knurrendem Magen würde je an diese Türe klopfen.«
»Aber, warum …?«
»Ich bin keine Bauersfrau!«, teilte die Fremde ihr mit. »Auch keine Hungerleiderin, die im wilden Wald nach Früchten sucht, um sich ihren Tagelohn zu verdienen! Ich bin die, deren Namen man voller Ehrfurcht und Angst wispert, mit Kräften, die groß genug sind, den Heiligen Magus selbst herauszufordern.«
Columbine blieb der Mund offen stehen. »Malinda!«, platzte sie heraus. »Malinda, die gute Fee!«
»Malinda?«, kreischte die Alte empört. »Malinda mit den gestutzten Flügeln und dem krummen Zauberstab? Törichtes Mädchen! Malinda ist eine Stümperin und noch dazu eine, die zum alten Eisen gehört! Diese Glitzerstaub-Nichtskönnerin hat schon vor vielen Jahren damit aufgehört, an Türen zu klopfen und dummen Jungfern ihre Herzenswünsche zu erfüllen. Die bin ich nicht!«
»Wer seid Ihr dann?«
»Ich bin Haxxentrot!«, verkündete die alte Frau und im gleichen Moment, da sie ihren Namen aussprach, leuchteten die Flammen im Herd violett auf und züngelten weit in den Rauchfang empor.
»Die Hexe aus dem Verbotenen Turm!«, murmelte Columbine ängstlich. »Warum seid Ihr hier? Was wollt Ihr?«
»Um mich mit meinen eigenen Augen davon zu überzeugen, wie es den Menschen in Mooncaster geht«, antwortete die Hexe. »Obwohl ich viele Spione habe, gefällt es mir, von Zeit zu Zeit unter den Dorfleuten umherzuwandern und mir in Erinnerung zu rufen, weshalb ich sie so verabscheue. Wenn ich den Heiligen Magus erst gestürzt habe und das Weiße Schloss eine rauchende Ruine ist, werde ich kein einziges Leben verschonen!« Außer sich vor Zorn stampfte sie auf den Boden. »Deshalb darf ich niemandem etwas schuldig bleiben!«, erklärte sie dem Mädchen, während sie zwei Haselnüsse aus ihrem Korb nahm und daraufspuckte. »Leg diese ans Feuer, so
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