Dancing Jax - 02 - Zwischenspiel
sie. »Ich bin amerikanische Staatsbürgerin! Sie haben ja keine Vorstellung davon, was für schwerwiegende Folgen Ihr Verhalten haben wird. Mein Land wird Ihnen ein Strafverfahren an den Hals hängen, das sich gewaschen hat!«
Der Ismus gluckste leise. »Nach dem herzerwärmenden Bericht, den Sie über dieses wundervolle Wochenende drehen werden? Das wage ich doch stark zu bezweifeln, Miss Kryzewski.«
»Ach, friert die Hölle heute noch zu? Das können Sie knicken, dass ich irgendetwas mache, was Sie von mir verlangen!«
Das gackernde Kichern des Ismus wurde zu einem ausgewachsenen Gelächter. »Wenn Sie wüssten, wie niedlich Sie sind! Nicht doch, nicht doch. Sie werden sogar ganz genau das machen, was ich will. Warum sonst hätte ich Sie denn noch einmal einladen sollen?«
Kate versuchte sich loszureißen, doch der Griff der Leibwächter war eisern.
»Nun gut, wollen wir also beginnen?«, fragte der Ismus. »Haben Sie es bequem? Vielleicht nicht, aber das wird sich schon sehr bald ändern. Versprochen.«
Kate warf ihm einen vernichtenden Blick zu. »Mich werden Sie nicht so leicht umkrempeln«, knurrte sie. »Na los, bringen Sie doch Ihren besten Shakespearetypen her! Wollen wir doch mal sehen, was er so draufhat! Meiner Meinung nach wurden eure Schauspieler schon immer völlig überschätzt, waren höchstens gut genug, um die Bösen in irgendwelchen dämlichen Actionfilmen zu geben. Mein Herz schlägt einzig und allein für Pacino.«
»Das hatte ich mir schon gedacht«, erwiderte der Ismus. »Deshalb finde ich auch, dass es unterhaltsamer wäre, wenn Ihnen ein bekanntes Gesicht vorliest.«
Er pochte mit den Fingerknöcheln gegen das Dach des Geländewagens, woraufhin sich eine der hinteren Türen langsam öffnete. Als Kate sah, wer da ausstieg, rollte ihr eine Träne über die Wange und sie wandte das Gesicht ab.
»Hallo, Sam«, begrüßte ihn der Ismus.
5
Der junge Kameramann lächelte schüchtern und blinzelte verschlafen. Mit glasigen Augen nahm er einen weiteren großen Bissen von der grauen, schleimigen Frucht in seiner Hand. Der widerliche Saft klebte bereits überall an seinem Kinn.
»Hier hast du das Buch, Sam«, sagte der Ismus. »Es ist an der Zeit, dass auch Miss Kryzewski sich zu uns ins Reich des Prinzen der Dämmerung gesellt.«
Sam schob sich den Rest der Minchetfrucht in den Mund und kaute gierig. Dann wischte er sich die Hände ab und nahm Dancing Jax entgegen.
»Tu’s nicht, Sam!«, flehte Kate. »Bitte tu es nicht!«
Der hellblonde Mann schluckte die letzten faserigen Klumpen hinunter und grinste. »Ist schon in Ordnung, Kate. Sie hatten recht. Wir lagen völlig falsch. Diese Welt, dieser Mist hier, ist nicht real. Wir gehören nach Mooncaster. Das wirst du gleich sehen.« Er neigte den Kopf und fing an zu lesen. »Jenseits der Silbernen See, umgeben von dreizehn grünen Bergen …«
Die Umstehenden stimmten murmelnd mit ein. Die Buben und Damen stellten sich zu ihnen und alle nickten im Takt der Sätze.
Kate Kryzewski fühlte, wie der Tag um sie herum dunkler wurde. Das Sonnenlicht verlor an Kraft und in ihrem Kopf ertönte ein leises Summen. Sie versuchte, an etwas anderes zu denken, ganz egal, was.
Die Härchen in ihrem Nacken stellten sich auf und ihre Kopfhaut begann, unangenehm zu jucken – etwas schien sich ihr zu nähern.
Sie blendete Sams Stimme aus und flutete ihren Geist mit ihren lebhaftesten Erinnerungen: ein Kind, das in den Trümmern auf Haiti nach seiner Mutter suchte; das qualmende Wrack eines Reisebusses nach einem Selbstmordattentat in Gaza; ein Raketenangriff auf Bagdad, der die Nacht zum Tag machte; der Abend der Emmy-Verleihung, als sie Harlon Webber ein Glas Merlot in die transplantierten Haare goss, weil er sie angebaggert hatte; das schiefe Lächeln des Ismus …
Panisch vertrieb sie dieses letzte Bild. Doch schon drang Sams Stimme in ihre Ohren. Sie konnte sie nicht länger ausblenden. Sie konnte nicht länger dagegen ankämpfen. Sie musste zuhören. Alles andere existierte nicht mehr.
Bevor die Dunkelheit sie verschluckte, schoss ihr ein letzter eigener Gedanke durch den Kopf. »Papa, es tut mir so leid!«, rief sie.
Das übertrieben weiße Gesicht des Ismus erfüllte ihren Geist. Seine mageren, gierigen Züge spiegelten seinen Triumph wider und Kate spürte, wie ihr Wille, ihre Identität, alles, was sie ausmachte, verpuffte – bis nichts mehr übrig war. Sie warf den Kopf in den Nacken und öffnete flatternd die Augen.
Die hohen weißen
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