Dancing Jax - 02 - Zwischenspiel
nah, wie du dich traust. Stell dir vor, diese eine hier bist du und die andere … das ist der Kreuzbube. Wenn die sengende Hitze die beiden zum Platzen bringt, sodass sie in tausend Stücke zerbersten, wird dein geheimes Verlangen niemals Früchte tragen. Doch wenn sie Feuer fangen und bei steter Flamme miteinander verschmelzen, dann sollt ihr zwei ein Liebespaar werden und auf ewig vereint sein.«
Columbine gehorchte. Sie hatte schon viele Geschichten über die alte furchterregende Hexe gehört, die den Ismus und die Bewohner von Mooncaster hasste. Immer wieder suchte Haxxentrot nach neuen Wegen, sie zu quälen und heimzusuchen. Misstrauisch legte das Mädchen die Haselnüsse so nahe wie möglich ans Feuer. Haxxentrot murmelte einige unverständliche Worte, dann warteten beide ab.
Sogleich begannen die beiden Nüsse zu schwelen. Dann umhüllten sie knisternde rosafarbene Flammen.
»Sieh hin!« Die Hexe nickte zufrieden. »Deine Zukunft ist klar. Große Liebe wird zwischen dem Kreuzbuben und dir erwachsen.« Damit griff sie nach den Riemen des großen Korbs und machte sich bereit, ihn wieder aufzubuckeln.
Columbine starrte noch immer ungläubig auf die brennenden Haselnüsse. Ein überwältigendes Gefühl von Enttäuschung breitete sich in ihr aus.
»Wartet!«, rief sie. »Ist das etwa alles?«
»Alles?«, wiederholte die Hexe. »Was willst du denn mehr? Hast du
nicht Nacht für Nacht wach gelegen und dich nach seiner Umarmung verzehrt? Jetzt weißt du, dass es bestimmt dazu kommen wird.«
Columbine fühlte sich betrogen, so sehr, dass ihr das Sprechen schwerfiel. Schließlich gewann ihr Groll die Oberhand, jegliche Furcht vor der Hexe war mit einem Mal vergessen. »Was für eine Sorte von magischem Dank soll das sein? Etwas Besseres bringt Ihr nicht zustande? Die alten Geschichten erzählen von anderen Belohnungen. Wo sind die Wünsche, die ich frei habe? Wo die magischen Geschenke? Der goldene Umhang, aus so feinem Faden gesponnen, dass er sogar in eine Walnussschale passt! Wo sind die Zauberschuhe, die aus dem, der sie trägt, den anmutigsten Tänzer im ganzen Reich machen? Was ist mit dem Kelch voll Mondtau, der jedem, der darin badet, hinreißende Schönheit verleiht? Wo ist der Trank, der in jedem, dem er eingeflößt wird, unsterbliche Liebe für mich entfacht? Wo der Spiegel, der mir alles zeigt, was ich sehen will?«
»Ihr modernen Jungfern erwartet zu viel«, bemerkte die Hexe naserümpfend.
»Zumindest erwarte ich mehr als zwei alte Nüsse und einen Haufen leerer Versprechungen! Das nennt Ihr eine Schuld begleichen? Ein Scharlatan, das seid Ihr!«
Die Hexe fuhr zu ihr herum. »Ein Stückchen harter Käse und eine Scheibe Schafspastete von gestern verdienen keine große Magie!«, keifte sie. »Diese Pastete hat wie Ulmenrinde geschmeckt und die kümmerlichen Fleischbrocken darin waren Fettklumpen und Knorpel! Wahre Hexenkunst tauscht man nicht gegen einen harten Stuhl ohne Kissen und eine Nacht voll grässlicher Blähungen!«
Noch bevor Columbine eine schlagfertige Antwort einfiel, flog die Küchentür auf. Der plötzliche Windstoß wirbelte die Gänsefedern in die Luft, die das Gesicht des Mädchens wie ein Daunensturm kitzelten. Sie spuckte den Flaum, der ihr in den Mund geflogen war, aus und fegte den Rest beiseite. Dann sah sie ihn.
Auf der Schwelle stand kein anderer als der Kreuzbube.
Überraschung, Aufregung, Staunen, Bewunderung, Hoffnung und Furcht vermischten sich zu einem überwältigenden, verwirrenden Gefühl, das Columbine in diesem Augenblick erfasste.
Haxxentrot wandte das Gesicht ab und hockte sich schweigend auf ihren Schemel.
Jack sah schöner aus als je zuvor. Seine Gestalt hob sich gegen das fahle Winterlicht ab, sodass er wie ein Wesen aus einer anderen Welt wirkte. Ein sagenumwobener Held, der zu Fleisch und Blut geworden war.
Columbine bestaunte ihn. Wie stattlich er war, wie edel und hübsch, wie stark! Doch warum war er hier? Die Königstöchter und -söhne kamen nie in die Küchen. Vielleicht suchte er Meisterin Slab, um sie um etwas für sein wundervolles Ross zu bitten? Für dieses Tier war nur das Beste gut genug. Oder aber er wollte, dass Ned und Beetle den Stalljungen zur Hand gingen? Oder vielleicht …? Columbine fühlte, wie ihr Herz einen Satz machte. Nein, in seiner Gegenwart durfte sie solche anmaßenden Träumereien nicht zulassen! Sie schlug eine Hand auf ihre Brust. Ohne Zweifel konnte auch er hören, wie ungeheuer laut ihr Herz klopfte. Es war
Weitere Kostenlose Bücher