Danger - Das Gebot der Rache
ihr Blick unkoordiniert, als zöge die Vision noch einmal vor ihrem inneren Auge herauf. »… und ich konnte gar nichts tun«, schloss sie schließlich. Wieder begannen Tränen zu fließen. »Ich habe mich so nutzlos gefühlt!«
Bentz legte ihr die Hand auf die Schulter, und sie berührte seine Finger. »Wenn es Ihnen ein Trost ist: Ich glaube Ihnen. Ich weiß über die Zusammenhänge Bescheid.« Ihre Finger verkrampften sich, als er ihr das Muster erklärte, das er entdeckt hatte: dass der Mörder seine Opfer in Übereinstimmung mit den Gedenktagen heiliger Märtyrerinnen tötete. »Bis jetzt haben wir an den Tagen der heiligen Johanna von Orléans, der heiligen Maria Magdalena und der heiligen Cecilia Leichen entdeckt.«
»Glauben Sie, es gibt noch mehr?« Olivia wurde blass.
»Ich weiß es nicht. Aber Sie haben die Frau in der Gruft erwähnt. Ich denke, ihr hatte er die Rolle der heiligen Philomena zugedacht. Und jetzt gibt es eine neue, die junge Frau von heute Nacht. Katharina von Alexandrien.« Er runzelte die Stirn. »Wir wissen nicht, wie viele andere noch gefunden werden oder wie lange seine Mordlust anhält.«
»Gütiger Gott«, flüsterte sie und schluckte. »Wie viele heilige Märtyrerinnen gibt es eigentlich?«
»Viel zu viele.« Bentz schnaubte. »Ich hätte nie gedacht, dass ich so etwas einmal sagen würde.«
Sie blickte mit sorgenvollen Augen zu ihm auf. In ihren Wimpern hingen Tränen. »Wer tut so etwas?«
»Genau das müssen wir herausfinden.« Er umschloss ihre Hand fester. Versuchte, zuversichtlich zu wirken. »Wir werden ihn kriegen, aber dazu brauche ich Ihre Hilfe.«
»Ich werde alles tun, was ich kann.«
Er brachte ein Lächeln zustande. »Ich weiß. Lassen Sie mich ein paar Mal telefonieren.« Er blickte auf die Uhr. Es war schon spät, nach elf, trotzdem rief er Montoya und auf der Wache an, wo er Nachrichten hinterließ, dann ging er die Treppe hinauf ins Badezimmer. Überall lagen Scherben: auf dem Waschtisch, im Waschbecken, auf dem Fußboden. Blutspritzer waren im Becken und auf den Fliesen zu sehen. »Sieht aus wie nach einem Gemetzel«, scherzte er.
»Ich war wütend«, gab sie zu. »Und ich hatte Angst. Er hat mich angeblickt, hat mir aus dem Spiegel direkt in die Augen geschaut, und ich bin davon überzeugt, dass er mich genauso gut sehen konnte wie ich ihn.« Sie holte Besen und Kehrblech. Zusammen beseitigten sie das Durcheinander.
Anschließend gingen sie wieder nach unten, und Olivia machte Tee, irgendeine nach Ingwer duftende Sorte, die nach Blumen schmeckte. Er sagte nichts dazu, sondern nippte nur daran und wünschte sich, es wäre ein Bier. Sie saßen an dem kleinen Küchentisch, der Vogel gab leise Geräusche von sich, der Hund machte es sich auf einem Flickenteppich bequem, und sie erzählte ihm wieder und wieder ihre Geschichte. Bentz stellte ihr Dutzende von Fragen. Nicht immer hatte sie eine Antwort, aber er war überzeugt davon, dass sie einen weiteren Mord beobachtet hatte. Noch vor vier Tagen hätte er diese Vorstellung weit von sich gewiesen, aber heute nahm er jedes ihrer Worte für bare Münze. Es war nach eins, als er schließlich seinen Stuhl zurückschob. »Ich breche jetzt lieber auf. Es sei denn, Sie können sich noch an etwas anderes erinnern?«
»Nur daran, dass er blaue Augen hat. Ein eisiges, intensives Blau«, fiel ihr plötzlich ein.
»Würden Sie ihn wiedererkennen?«
»Nein, wie ich schon sagte: Er hatte wieder diese Skimaske auf.«
»Die Augenfarbe ist immerhin etwas.« Wenngleich es natürlich möglich war, dass er Kontaktlinsen getragen hatte.
»Und er kennt meinen Namen.«
»Wie bitte?«
»Ich habe ihn gehört, in meiner Vision. Er hat mich direkt angeblickt, und es war, als hätte ich seine Stimme oder Gedanken gehört. Er hat mich Olivia genannt.
Heilige
Olivia.«
»Verdammt«, fluchte Bentz, dann blickte er aus dem Fenster hinaus in die Dunkelheit über dem
bayou.
Düster. Abgeschieden. Undurchdringlich. Wenn der Mörder hier auftauchte, würde ihn niemand dabei beobachten. Er wusste, wer Olivia war. »Wenn es Ihnen nichts ausmacht, bleibe ich hier, bis es hell wird.«
Sie zögerte. »Natürlich … Ich meine, das wäre schön. Aber ich will nicht den Eindruck erwecken, dass ich eine einsame, verängstigte, hilflose Frau bin, bloß weil ich eben so außer mir war …«
»Ist die Alarmanlage schon installiert?«
»Nein, sie kommt erst nach Thanksgiving, aber …«
»Dann bleibe ich.«
»Aber …«
»Und zwar nicht,
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