Danger - Das Gebot der Rache
Louisiana zurückgekehrt. Wann war das genau? Im letzten Sommer?«
»Ja. Ich bin Ende Juli hergekommen, als meine Großmutter krank wurde.« Olivia deutete auf eine der gerahmten Fotografien, die sie neben der hinteren Veranda an die Wand gehängt hatte.
»Das ist ein Bild von uns beiden. Vor langer Zeit aufgenommen.« Auf dem Foto wirbelte Grannie, das graue Haar zu einem Zopf geflochten, eine barfüßige Olivia herum. Olivia, zu der Zeit etwa fünf Jahre alt, trug abgewetzte Shorts und ein T-Shirt und hatte vor Vergnügen den Kopf zurückgeworfen. Sonnenlicht fiel durch die Bäume und sprenkelte das trockene Gras. Im Hintergrund stand eine Hecke in voller Blüte, der einzige dunkle Fleck war ein Schatten am unteren Rand der Aufnahme.
Bentz bemerkte ihn und fragte: »Wer hat das Foto gemacht?«
Die Muskeln in Olivias Nacken spannten sich an. »Mein Vater. Bei einem der wenigen Male, die er sich dazu herabgelassen hat, hier aufzukreuzen.«
»Er hat Sie nicht großgezogen?«
Sie holte tief Luft. »Er war nicht gerade ein Vorzeige-Dad. Die meiste Zeit hat sich Grannie Gin um mich gekümmert.« Sie sprach offenbar nicht gern über ihre Familie. »Zerrüttet« traf den Zustand nicht mal ansatzweise. »Oh, es tut mir leid … darf ich Ihnen einen Kaffee anbieten? Oder … nun, ich glaube nicht, dass ich etwas anderes dahabe.«
»Nur wenn Sie auch einen möchten.«
»Sehr gern«, gab sie zu. »Das Ganze ist … nervenaufreibend.«
Zu ihrer Überraschung lächelte er. »Ich weiß. Und Kaffee wäre großartig.«
Olivia wusste, dass er nur versuchte, sie zu beruhigen, aber das war in Ordnung. Sie stellte sich auf die Zehenspitzen und versuchte, an die Tassen auf dem obersten Regalbrett zu gelangen, wo das »gute« Geschirr stand, das sie nie benutzte. Bentz kam ihr zu Hilfe und reichte ihr zwei Porzellantassen.
»Danke.« Sie stellte sie auf die Anrichte und warf einen Blick auf die Kaffeekanne, die seit Stunden auf der Warmhalteplatte stand. »Okay … Sie fragen mich nach meiner Familie, was nicht gerade mein Lieblingsthema ist. Mein Großvater ist im Krieg ums Leben gekommen. Meine Großmutter hat nicht wieder geheiratet. Sie hat die meiste Zeit ihres Lebens damit verbracht, sich um andere zu kümmern.«
»Und wer sind diese anderen?«
»Zunächst einmal ich. Dann meine Mutter, wenn sie denn da war. Meine Schwester Chandra, bis sie gestorben ist. Sie war erst zwei. Ein Unfall im Planschbecken«, erläuterte Olivia und verwendete dieselben Phrasen, die sie immer benutzte, wenn sie über ihre Familie sprach. Ein Unfall. So einfach. Doch das war es nicht gewesen. Einfach war der Tod nie.
»Wo ist Ihre Mutter jetzt?«
»Gute Frage.« Sie goss den Kaffee ein. »Eigentlich müsste sie bei ihrem Ehemann, Jeb Martin, in Houston sein, der, nur fürs Protokoll, ein echter Scheißkerl ist.«
»Sie mögen ihn nicht.«
Achselzuckend erwiderte Olivia: »Er ist so gut wie alle anderen, schätze ich, aber nein, ich mag ihn nicht. Ich verstehe allerdings wirklich nicht, was das mit dem zu tun hat, was heute Morgen passiert ist.«
»Vielleicht nichts. Aber es kommt nicht jeden Tag vor, dass jemand in mein Büro stürmt und behauptet, Zeugin eines Mordes zu sein, so wie Sie es getan haben.«
Ohne zu widersprechen, reichte Olivia ihm eine Tasse. »Es gibt Milch, aber leider keinen Zucker.«
»Schwarz ist in Ordnung.«
»Ich habe dieses Haus geerbt und noch nicht entschieden, wie lange ich bleiben werde«, sagte sie plötzlich.
Bentz ließ das Band laufen, ging zum Fenster und starrte auf den
bayou.
Sonnenlicht fiel durch die Bäume, hinter dem Garten des Cottage begann der trübe Sumpf.
»Was ist mit Ihrem Vater?«
Olivia schloss die Augen. Sie musste es jetzt wohl hinter sich bringen. »Ich habe seit Jahren nichts von ihm gehört. Er … er sitzt hinter Gittern im Hochsicherheitsgefängnis in Mississippi, glaube ich. Das letzte Mal, als ich ihn gesehen habe, war ich in der Grundschule.« Sie rechnete mit weiteren Fragen über ihren Vater, aber zum Glück ließ Bentz das Thema fallen.
»Was war mit Tucson?«
»Wie meinen Sie das?«
»Warum sind Sie fortgegangen?«
»Ich dachte, ich hätte das schon erklärt. Meine Großmutter war krank, und ich war gerade an der Tulane University angenommen worden, also dachte ich, es ist Schicksal oder Bestimmung, und bin zurückgekehrt. Meine Geschäftspartnerin hat mir meinen Anteil am Laden abgekauft.«
Der Hund winselte vor der Verandatür, und Olivia öffnete sie einen
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