Daniel Briester - Friedemann, A: Daniel Briester
schuldfähig.“
„Ja, das kann passieren. Kommen wir zum Fall Krämer. Da ist heute der erste Verhandlungstag. Es könnte sein, dass man Sie hören will.“
„Kein Problem. Ich habe keinen Urlaub oder dergleichen.“
„Zu guter Letzt noch den Fall Reimers. Wie ich hörte, ist der Mann an der Grenze gefasst worden?“
„Ja, er wird morgen landen. Die Belgier haben ihn festgehalten. Seine Frau wird in wenigen Tagen entlassen. Sie muss allerdings für eine Weile psychiatrisch betreut werden.“
„Kein Wunder. Man wird ja keineswegs jeden Tag von dem eigenen Mann niedergestochen.“
„Herr Oberstaatsanwalt, ich möchte Durchsuchungsbeschluss für zwei dieser so genannten Wohnungen in dem Haus, wo die beiden Opfer ihrem Geschäft nachgegangen sind und für die Privatwohnungen von Angela Schmitz und Karin Tellner.“
„Versprechen Sie sich etwas davon?“
Daniel überlegte, entschied sich für die Wahrheit. „Nein, ehrlich gesagt.“
„Bekommen Sie. Ich muss gleich zur Verhandlung. Am Nachmittag schicke ich die Papiere rüber.“
„Noch etwas. Ich würde gern einen Aufruf in der Zeitung haben, dass sich die Freier der Frauen bei uns melden, mit dem üblichen Hinweis, Vertraulichkeit wird zugesichert und so weiter.“
„Wenn es etwas zutage fördert, auch das. Ich werde der Presseabteilung Bescheid sagen. Geben Sie die Daten für die Durchsuchungen bei Frau Schneider ab. Sie bereitet alles vor.“
Daniel erhob sich, ließ die Akte auf dem Tisch liegen und war wenig später in seinem Büro, wo er die Jacke auszog. Er hasste es, wenn er im Anzug erscheinen musste, aber gerade Sanders legte sehr viel Wert darauf. Der einzige Kompromiss war, dass er inzwischen in Kauf nahm, dass der Chef der Mordkommission ohne Krawatte herumlief, sondern generell ein Shirt zu Cerruti trug. Das söhnte ihn ein wenig damit aus, da er selber Designeranzüge bevorzugte. Nur, dass Thema Sanders war sowieso ein rotes Tuch für ihn und wenn er es vermeiden konnte, versuchte er, nicht mit diesem Mann zusammenzuarbeiten. Obwohl gerade er, als Oberstaatsanwalt, ihm häufig einen Strich durch seine Bemühungen machte und speziell Fälle seiner Abteilungen an sich riss.
Er sprach kurz mit seiner Sekretärin, trank eine Tasse Kaffee, fuhr mit Peter Sinner nach Heide zu den Eltern der toten Nicole Lemann. Dass war eine Sache, die er hasste, aber das musste sein und gehörte zu seinem Job.
Nur bekamen sie von denen wenige Informationen, da diese von dem Tun ihrer Tochter nichts gewusst hatten. Im Übrigen hatten sie im letzten Jahr nur telefonischen Kontakt, den jedoch wöchentlich. Das Tochter- Eltern-Verhältnis war wohl eher kühl gewesen, stellte er fest. Auf der Rückfahrt sinnierte er, wie es soweit in einer Familie kommen konnte. Für ihn unvorstellbar, wenn oft genug bemerkt. Es würde wahrscheinlich weniger Verbrechen geben, wenn gerade das Umfeld der Täter, gelegentlich der Opfer, von besseren Familienverbänden umgeben wäre. So wie zum Beispiel gerade in diesem Fall. Beide Elternteile hatten nur gearbeitet, um den zwei Kindern eine bessere Zukunft in finanzieller Hinsicht bieten zu können und dabei war die menschliche Wärme, die Zuneigung, Zuwendungen in Form von Zuhören, Anteilnahme, Beachtung, auf der Strecke geblieben.
Ihn verband mit seiner Familie zwar kein inniges Gefühl, aber er hatte dieses innige Verhältnis bei den Familien Greinet, Werner und Schaller kennen gelernt. Sein eigener Vater war ein brutaler Tyrann, ein Mann, der nie für seine Familie da gewesen war, außer wenn es die Öffentlichkeit erfahren hätte. Dort trat er selbst heute noch als liebevoller Familienvater auf. Eine Farce. Seine Mutter, eine Frau, die sich den Schikanen ihres Mannes fügte, nur Mode und Tratschen im Kopf hatte, und gerade ihn wie ein Kind behandelte, zu Torsten hatte sie dagegen nie eine enge Mutter-Kind-Beziehung aufgebaut. Torsten war der Sohn seines Vaters und zwar in vielerlei Hinsicht, außer im Aussehen. Er betrog Tina ständig, hatte nur Sportwagen und Weiber im Kopf. Er gab sich oftmals arrogant, fühlte sich generell weit über allen stehend. Nur zu seiner Tochter war er anders. Da war er ein fürsorglicher, sehr liebevoller Vater. Er war inzwischen froh, dass er nie die Verantwortung für ein Kind übernehmen musste, obwohl das vor Jahren anders gewesen war. Aber diesen Gedanken verdrängte er sofort. Dieses Kapitel seines Lebens gab es nicht mehr. An seine pubertierende Tochter denkend, beschloss er, diese später anzurufen.
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