Daniel Briester - Friedemann, A: Daniel Briester
Druck. Das war nicht normal? Wo war er da hingeraten? Sein Wechsel nach Hamburg schien ein Fehler gewesen zu sein und nun steckte er mitten in diesem Klüngel. Er wusste nicht, wie er damit umgehen sollte. Zacharias hatte wegen der Frau einen Rüffel erhalten und man hatte ihm mit Konsequenzen gedroht, wenn er diese kriminelle Person weiter behelligen würde. Andere Abteilungen unternahmen erst nichts mehr, wenn sie hörten, wer die betreffende Person war. Selbst die Staatsanwaltschaft hatte gekuscht. Diese Frau schien absolute Narrenfreiheit zu haben. Deswegen ihr Auftreten, ihre Beleidigungen. Sie wusste, ihr würde nichts passieren. Nur wie passte da Volker Larsen hinein? Für ihn schien keiner etwas geradebiegen zu wollen. Warum deckte Herrn Keitler nur die Schwester, tat nichts für Volker?
Schließlich zog er die Joggingsachen an, spurtete los, den Nieselregen ignorierend. Den ersten Kilometer absolvierte er deutlich besser, aber dann spürte er, wie sein Körper rapide abbaute.
Er sprang über eine Pfütze, hastete vorwärts. Der Schweiß rann ihm über das Gesicht und er wischte mit dem Handrücken über die Augen. Sein Mund war wie ausgetrocknet, die Zunge kam ihm wie geschwollen vor, aber er rannte, rannte, rannte. Die Oberschenkel brannten, aber er versuchte nicht aus dem Tritt zu kommen und rannte, versuchte das Atmen anzupassen, den Rhythmus zu den Füßen zu finden, die ihm vorkamen, als wenn er Blei in den Schuhen hätte, aber er lief weiter. Er versuchte, nicht auf die Schmerzen in den Oberschenkeln zu achten, den trockenen Mund zu vergessen, dass Herzrasen zu ignorieren. Er wollte sich nur auf das Laufen konzentrieren, seine gesamte Energie dafür einsetzten.
Er kehrte völlig erschöpft in die Wohnung zurück, aber nach der ausgie- bigen kalten und heißen Dusche fühlte er sich besser. Es war wie eine kleine Therapie, obwohl er nachts häufig aufschreckte, weil es ihm vorkam, als wenn er nicht genug Luft bekommen würde, weil sich eine Zentnerlast auf seinen Brustkorb presste.
*
Sandra war der Verzweiflung nahe. Sie erreichte Mike nicht und sonst hatte sie nur zu Hause herumgesessen und heute dasselbe. Claudia hatte alle Termin abgesagt, so gab es nichts für sie zu tun, das sie hätte ablenken können.
Sie telefonierte mit dem Anwalt, aber der wimmelte sie nur ab, dass sie zum Toben brachte. Der Brief von Rebbin fiel ihr wieder ein. Was dieser blöde Kerl sich einbildete, ihr zu untersagen, die Wohnung ihres Bruders zu betreten? Aber Volker würde sich beruhigen. Wenn der aus dem Knast kam, war er zahm und friedlich, so wie sie ihn wollte und brauchte.
Der vierte Tag, wo man ihren Bruder eingesperrt hielt und ihr waren die Hände gebunden. Aber die Tage dort hatten Volker sicher zahm werden lassen.
Sie hatte das Atelier ein wenig aufgeräumt, welches nach der Durchsuchung einem Sauhaufen glich, wie sie schimpfend feststellte. Das Geld aus dem Schubfach hatte sie eingesteckt. Volker brauchte es ja nicht. Hinterher hatte sie einen Rock, ein Shirt und ein Paar Pumps gekauft, dass linderte augenblicklich ihre miese Laune.
Sie hatte versucht mit Claus Keitler zu sprechen, aber vergebens. Er gab ihr keine Informationen, half ihr nicht, dass sie zu Volker konnte. Selbst ihre Drohungen hatte er nur ignoriert und aufgelegt. Sie musste mit System vorgehen und das hieß, sie musste entweder das Geld oder den Stoff finden. Nur so konnte sie nachweisen, dass Volker nichts damit zu tun hatte.
Daniel war am Morgen zu dem Bruder gefahren. Kai Gallert, groß, schlank, hatte eine gewisse Ähnlichkeit mit seiner Schwester, obwohl man ihm heute ansah, wie sehr ihn dass belastete. Er war unrasiert, hatte schwarze Augenringe und Daniel bemerkte, dass dessen Finger zitterten, als er einen Kaffeepott abstellte.
„Herr Gallert, erzählen Sie mir bitte von Ihrer Schwester. Hatte sie Feinde, Ärger mit jemanden und dergleichen?“
„Mia, bestimmt nicht! Sie ist eine liebe, sanfte Person. Hilfsbereit, fröh- lich, sehr zurückhaltend, eher ein wenig schüchtern. Sie ist bei allen sehr beliebt und ich kann mir nicht vorstellen, wer etwas gegen sie hat. Sie würde nie jemanden etwas antun oder schlecht über andere reden. Sie geht gern arbeiten, hat Spaß, wenn sie mit den Kindern spielen kann.“
Er trank Kaffee und Daniel hatte bemerkt, dass er nie in im Imperfekt sprach, so als wenn sie noch leben würde.
„Kennen Sie Volker Larsen?“
„Ja sicher. Ein sehr netter junger Mann. Wenn Sie denken, dass er es war, dann
Weitere Kostenlose Bücher