Daniel Briester - Friedemann, A: Daniel Briester
waren ja mehrmals bei ihr. Möglicherweise finden wir ein Mosaiksteinchen, das passt. Ich würde gern noch einmal das Hausboot aufsuchen. Vielleicht finden wir dort einen Hinweis.“
„Nein, das erlaube ich nicht.“
„Gut, wie Sie wünschen. Anscheinend ist es Ihnen sehr lieb, dass Volker im Gefängnis ist, wie man so heraushört. Ist es wegen des Geldes?“
„Briester, du spinnst! Volker ist kein brutaler Mörder, kein verrückter Irrer. Er ist mein Bruder und ich liebe ihn. Versteht das denn keiner? Ich muss für ihn sorgen, auf ihn aufpassen. Bitte, lass mich mitarbeiten.“
Er schob sie heftig zur Seite, blickte sie angewidert an. „Was ich nicht möchte und er generell nicht. Er will sein Leben allein, ohne Sie, Frau Larsen, leben. Er benötigt keinen Aufpasser, keine hysterische Schwester, die seine Freundin verprügelt und das sind Fakten, wenn für Sie sehr unangenehme. Er soll nach Ihrer Doktrin leben, dass er nicht wünscht und Sie wollen an sein Geld, weil Sie pleite sind, verschuldet, außerdem keine Einnahmen haben, da die Praxis nicht läuft. Nur leere Sprüche, aber nichts dahinter. Sie lügen nur! Passen Sie auf, dass Sie sich nicht die Finger verbrennen. Ich bin für solche Frauen bestimmt nicht zu haben. Wenn Sie Notstand haben, Frau Larsen, dann gehen Sie in eine der Spelunken, Bordelle, wo Sie ansonsten verkehren. Sie sind so was von Ekel erregend. Es wurde eine junge, sehr intelligente, freundliche wunderschöne Frau umgebracht.“
Voller Abscheu taxierte er sie. „Sie sind nicht nur eine Kriminelle, sondern ordinär und bescheuert. Gehen Sie zu einem Kollegen. Noch etwas. Alle Prostituierten sind verpflichtet, regelmäßig zu einem Arzt zu gehen. Sie benötigen einen Gesundheitspass. Hat man Ihnen das noch nie gesagt? Sie machen sich strafbar und stecken andere mit irgendwelchen Geschlechtskrankheiten an. Gute Nacht!“
Eilig verließ das Haus. Erst jetzt merkte er, dass es nieselte. Auf dem Asphalt spiegelten sich die Lichter der Straßenlaternen. Er fuhr los, beschloss noch ein wenig zu laufen. Er wollte noch nicht in die Wohnung sich noch nicht der Dunkelheit der Nacht aussetzen.
Er rollte langsam in Richtung der Neonlichter, wo es hell war, sah Reklametafeln, erhellte Schaufenster und nur wenige Menschen. Der Verkehr wurde dichter. Schließlich fand er einen Parkplatz, stieg aus, steckte die Hände in die Jeans. Mädchen in hochhackigen Stiefeln, Schuhen standen da, mit Röcken, die kaum den Hintern bedeckten, mit Jacken, unter denen man den zu engen Büstenhalter sah. Fleisch gab es reichlich zu bestaunen, aber all das ließ ihn kalt, im Gegenteil, es widerte ihn an, genauso wie die Helligkeit.
Hier reihten sich Lokal an Lokal. Die berühmteste Straße Hamburgs. Neben Rotlichtbetrieben gab es viele Kleinkunsttheater, Restaurants, Musikclubs und Discos. Die Reeperbahn galt als die sündigste Meile der Welt, mit allem, was sie ausmachte: Prostitution, Zuhälterei, Straßen- strich, Kultur, Striptease. Zu der subkulturelle Seite der Reeperbahn gehörte die Herbertstraße, in der seit 1900 die Prostituierten ihre Dienste anbieten. Daneben gab es kulturelle Kultstätten.
Die Große Freiheit gehörte einst zu Altona. Graf Ernst von Schauenburg hatte in seinem Herrschaftsgebiet, der Grafschaft Pinneberg, zu der Altona gehörte, 1601 seinen Untertanen die Glaubensfreiheit zugestan- den. Hauptsächlich profitierten davon Mennoniten und Reformierte, die aus den Niederlanden stammten. Einen Gebietsstreifen an seiner Landes- grenze überließ der Graf 1610 einem Einwanderer aus Antwerpen, auf dem sich Handwerker ohne Zunftzwang niederlassen konnten. Dieser Landstreifen erhielt den Namen die Freiheit bei Altona, aus der sich die heute bekannte Große Freiheit entwickelte. Hamburg ist Hafenstadt, und zum Hafen gehören Matrosen. Kaum hat das Schiff festgemacht, da geht er auf den Kiez, um zu trinken und sich bei einer Frau von der langen Fahrt zu erholen. Dafür lässt er einen Teil seiner Heuer auf ihrem Nachttisch liegen. Heute waren es wohl weniger die Matrosen, die für einen immensen Umsatz sorgen.
Er schlug den Kragen der grauen Wildlederjacke hoch, da er das Wasser fühlte, dass ihm hinten in den Kragen lief. Der Regen war stärker geworden. Ein Betrunkener kam auf ihn zugetorkelt, er wich aus, roch die Fahne. Vor einem Kino standen junge Menschen herum, warteten, bis die Kasse öffnete, daneben ein Schnellimbiss, aus dem Stimmen und Musik zu ihm herausdrangen. Eine Gruppe Männer schaute
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