Daniel Briester - Friedemann, A: Daniel Briester
Gedanken glitten zu dieser Furie. Es war lange her, dass er Verlangen nach einer Frau gehabt hatte, selbst nach Petra nicht, als sie noch zusammen waren. Er hatte es gemacht, weil sie es erwartete, aber Verlangen, Begehren war nicht dabei gewesen. Heute Abend aber war es da gewesen und es hatte ihn überrascht und erstaunt.
Sie war nicht sein Typ. Ihr fehlte all das Weibliche, das er an Frauen im Allgemeinen früher anziehend fand. Sie hatte blonde Haare, er liebte dunkle. Sie war mollig, er stand auf schlanke, wohlproportionierte Frauen. Er mochte Frauen mit Stil, chic, dass sie beides nicht hatte, genauso wenig wie gutes Benehmen, auf das er ebenfalls Wert legte, viel Wert. Er mochte keine Frauen, die laut, schrill keiften, sich ordinär oder vulgär ausdrückten. Sie war ein burschikoser Typ, er liebte das frauliche, feminine, sinnliche. Eine Frau sollte das ausstrahlen, was sie war, näm- lich Weiblichkeit, Anmut. Sie war eine verlogene, gewalttätige Kriminelle. Sandra wollte ein Mann sein, wollte allen Beweisen, was für ein toller Typ sie war, nicht seine Kragenweite. Er hatte kurzfristig so eine Karrierefrau gehabt und selbst im Bett wollte sie bestimmen, wollte ihn beherrschen, um hinterher aufzustehen und zu telefonieren. Es gab keine Zärtlichkeit, nur einen Geschlechtsakt, wenig aufregend. Das würde zu Sandra passen und das schien sie zu machen, wie er gehört hatte. Sich eben einen Mann nehmen, der sie befriedigte. Anschließend verschwanden die Typen. Ein Verhalten, das man im Allgemeinen Männern zuschrieb. Trotz alldem war da heute etwas gewesen, dass ihn angemacht hatte, obwohl er sich nicht erklären konnte, wieso. Nur da war die Abneigung. Er mochte noch nie Frauen, die für jeden zu haben waren, die wahllos jeden mitnahmen. Mit solchen Frauen hatte er im Rahmen seiner Tätigkeit zu oft Bekanntschaft gemacht und das war bestimmt nicht sein Ding. Notabene lehnte er diese Sorte Frauen aus gesundheitlichen Gründen ab. Aber …
Sandra war später losgefahren, wütend, weil er sie weggeschoben hatte. Zuerst war sie zu dem Haus der toten Mia Gallert gefahren, um mit der Nachbarin zu reden. Diese dumme alte Tratschtante hatte anscheinend Volker so einiges erzählt und die sollte die Klappe halten, nicht noch der Polizei diesen Mist berichten. Hoffentlich hatte die das nicht noch anderen erzählt. Aber sie kam nicht in das Haus und auf ihr wiederholtes Klingeln öffnet die alte Kuh nicht. Dann eben morgen.
Sie saß stundenlang im Auto, wartete auf Mike, aber er erschien nicht und frustriert fuhr sie nach Hause.
*
Für Sandra begann der Tag trostlos. Der Mann war in der Nacht ver- schwunden, hatte noch ihr Portemonnaie geplündert. Wieder ließ sie ihren Frust an der Mutter aus. Erst als sie diese weinte, schluchzte, legte sie zufrieden auf.
Folgend grübelte sie, wie sie sich an diesem Briester rächen konnte. Der sollte spüren, wer sie war und dass er so nicht mit ihr umspringen konnte. Noch kein Mann hatte ihren Verführungskünsten widerstanden. Hass auf den Mann stieg in ihr empor. Würde nicht schwer werden, da er anscheinend sowieso sehr labil war. So durfte keiner mit ihr reden. Aber zunächst musste sie Volker herausholen und dazu brauchte sie den Kerl.
Daniel schlenderte an der Binnenalster entlang. Er musste frische Luft tanken. Er hatte kaum geschlafen, war müde, fühlte sich wie zerschla- gen. Er hatte das Gefühl, dass er, sobald er die Wohnungstür öffnete, bereits von dem Dunkel erwartet wurde, das sich um ihn legte und ihn zu zerquetschen drohte. Diese Wohnung verstärkte noch seine Depression. Es war so düster.
Die Binnenalster, das wusste er, wird von der Außenalster im Nordosten gespeist. Sie fließt in der südlichen Ecke über das Fleet Kleine Alster, dort erfolgte an der Rathausschleuse die Stauung, dann weiter Richtung Elbe.
Er schaute auf die in der Mitte der Binnenalster, bis zu sechzig Meter Höhe, speiende Alsterfontäne. Die dadurch verbundene Einbringung von Luft-Sauerstoff hatte inzwischen zu einer deutlichen Verbesserung der Wasserqualität beigetragen, sagte man. Rund um die Binnenalster gab es verschiedene Geschäftsgebäude, unter anderem der Firmensitz der Hapag-Lloyd, das Hotel Vier Jahreszeiten, wo er vor drei Jahren über- nachtet hatte. Da waren das traditionsreiche Alsterhaus sowie der berühmte Alsterpavillon. Am Südwestufer, dem Jungfernstieg lag die Hauptanlegestelle für die Weiße Flotte der Alsterdampfer, die von hier, sowohl die Alster mit ihren
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