Danielle Steel
doch es war zu spät! Entgeistert blickte Kate ihn an, und noch ehe er etwas sagen konnte, rollten Tränen über ihre Wangen. »Kate, nicht …« Mehr brachte er nicht über die Lippen. Er nahm ihre Hand, küsste sie und hie lt sie fest. »Bitte, Schatz …« »Was ist mit unserem Kind? « Klagend stieß Kate die Frage hervor. Ihre Stimme klang zitt rig. Joe beugte sich zu ihr hinunter. Vorsichtig achtete er darauf, ihren Kopf nicht zu berühren. Kate wusste nun, was geschehen war, und es gab nichts, womit er sie hätte trösten können. Er konnte ihr nur in ihrem Schmerz be istehen.
Kurz darauf betrat die Kranke nschwester in Begleitung eines
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Arztes das Zimmer. Beide waren hocherfreut, dass Kate das Bewusstsein wiedererlangt ha tte. Draußen auf dem Gang erklärte der Arzt Joe, dass sie trotzdem noch nicht außer Gefahr sei. Sie hatte eine schwere Gehirnerschütterung erlitten und fünf Tage lang im Koma gelegen. Der Beinbruch war äußerst kompliziert, und sie hatte bei der Fehlgeburt viel Blut verloren. Die Genesung würde sehr lange dauern. Sie würde Monate brauchen, um sich von dem Unfall und seinen Folgen zu erholen. Außerdem war der Arzt der Meinung, dass Kate keine Kinder mehr bekommen konnte. Das war Joe nicht so wichtig. Seine ganze Sorge galt Kate.
Kate brach völlig zusammen, nachdem ihr klar geworden war, dass sie die Zwillinge verloren hatte. Sie bekam ein starkes Beruhigungsmittel und schlief wieder ein. Joe fuhr nach New York. Er wollte im Büro nach dem Rechten sehen und zu Hause einige Sachen für sich und Kate zusammenpacken. Um fünf Uhr nachmittags war er wieder zurück.
Kates Eltern verließen soeben das Krankenzimmer. Elizabeth ignorierte Joe vollkommen, und in Clarkes Augen standen Tränen, als er sich an den Mann seiner Tochter wandte. »Du hättest bei ihr sein müssen, Joe!« Mehr sagte er n icht, dann wandte er sich ab und ging an der Seite seiner Frau den Flur entlang in Richtung Ausgang.
Joe widersprach nicht. Clarkes Worte hatten ihre Wirkung nicht verfehlt. Es schmerzte Joe, dass er Kate wiederholt solchen Kummer bereitet hatte. Er versta nd Kates Eltern, doch ihre harte Haltung erschien ihm trotzdem unge recht. Es war schließlich ein schlimmer Zufall gewesen, dass Kate den Unfall während seiner Abwesenheit gehabt hatte. Joe war immerhin gezwungen, Geschäftsreisen zu unternehmen. Vielleicht war es nicht richtig gewesen, dass er sich für drei Tage auf einer Yacht aufgehalten hatte, während seine schwangere Frau allein zu Hause war. Doch er war davon ausgegangen, dass alles in Ordnung war. Außerdem hätte er, selbst wenn er zu Hause gewesen wäre, den
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Unfall nicht verhindern können. Er hätte Kate nicht verbieten können, Auto zu fahren. Und er konnte nicht zu jeder Stunde des Tages ein Auge auf sie haben. Der Fahrer, der den Unfall verursacht hatte, war betrunken gewesen, das hatten die Untersuchungen ergeben. So etwas geschah leider immer wieder. Es hätte genauso gut Joe selbst treffen können. Er hatte den Eindruck, dass man ihn zum Sündenbock machte, nur w eil er unterwegs gewesen war.
Gegen Ende der Woche ließ Joe Kate in ein Krankenhaus in New York bringen. So war es einfacher für ihn, sie zu besuchen. Und vielleicht hellte sich ihre Stimmung auf, wenn sie auch ihre Freunde wieder sah. Doch Kate war zutiefst depressiv und lehnte jeden Besuch ab. Zu Joe sag te sie, dass sie am lieb sten sterben würde.
Joe verbrachte das ganze Wochenende bei ihr im Krankenhaus. Sie telefonierten mit Reed, und anschließend hörte Kate gar nicht mehr auf zu weinen. Sie war in einer entsetzlichen Verfassung. Joe gestand es sich nur ungern ein, doch er war erleichtert, dass er in der folgenden W oche für drei Tage nach L. A. fliegen konnte. Er fühlte sich vollkomm en hilflos. Diesmal rief er jedoch alle paar Stunden bei Kate an. Ende April wurde Kate aus dem Kr ankenhaus entlassen. Das Bein war noch immer eingegipst, und sie lief an Krücken, doch von den Kopfverletzungen hatte sie sich wieder erholt. Manchmal plagten sie noch Kopfschmerzen, aber die waren erträglich. Anfang Mai wurde der Gipsverband abgenommen. Äußerlich war Kate nun wieder die Alte, obwohl sie sehr viel an Gewicht verloren hatte. Doch die Frau, zu der Joe abends von der Arbeit zurückkehrte, war nicht mehr die, die er geh eiratet hatte. Ihre positiv e Ausstrahlung war verschwunden. Meistens war sie müde und deprimiert und weigerte sich, das Haus zu verlassen. Sie saß einfach nur da, starrte die
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