Danielle Steel
sie erwachte, lag sie in einem Krankenzim mer, und als sie sich aufrichten wollte, er blickte sie ihren flachen Bauch. Und es durchfuhr sie wie ein Blitz: Sie hatte das Kind verloren! Sie fragte sich imm er wieder, wie sie nur auf den Gedanken gekommen war, Reed an jenem Abend nach Greenwich zu bringen. Wenn sie das nicht getan hätte, wäre n die Zwillinge bereits auf der Welt. Nun würde sie niemals ein Kind von Joe bekommen. Er würde sich auf keinen weiteren Versuch einlassen. Daran hatte er keinerlei Zweifel gelassen. Und dafür hasste sie ihn. Da ihr die Worte fehlten, die ihren Schmerz ausgedrückt hätten, konnte sie ihm nur m it all ihrem ohnmächtigen Zorn begegnen.
Joe hatte seine Frau verloren. Wie Fremde lebten sie unter einem Dach. Deshalb h ielt er sich so selten wie m öglich zu Hause auf.
Im Oktober verbra chte er led iglich vier Tage in New York. Je länger er fort war, desto schlechter ging es Kate. Seine Abwesenheit bewirkte, dass sie sich noch verlassener fühlte als bisher. Sie war verzweifelt. Ihre Mutter verstand es auch in dieser Zeit, Kates W ut mit abfälligen Bemerkungen über Joe zu schüren. Elizabeth war nun sicher, dass Joe Kate immer nur benutzt hatte. Er brauchte eine Frau, mit der er sich schmücken konnte. Kate selbst glaubte inzwischen ebenfalls, dass er sie nicht mehr liebte. Doch statt ihm ihr e Liebe zu zeigen, dam it er zu ihr zurückkehrte, stieß sie ihn imm er wieder zurück. Joe
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distanzierte sich zunehmend von ihr. Seit dem Unfall hatte es keinerlei zärtliche Berührungen mehr zwischen ihnen gegeben. Gegen Ende Oktober waren es bereits sechs Monate, die sie auf diese Weise nebeneinander her lebten. Joe hatte endgültig genug. »Kate, ich halte das nicht mehr aus«, stellte er so ruhig wie möglich fest.
Er war für das Wochenende nach Hause gekommen, und Kate spürte instinktiv, dass er seine Flucht vorbereitete. Er konnte ihren Zorn, ihre ständigen Klagen und die eigenen Schuldgefühle nicht länger ertragen.
»Ich kann nicht mehr. Du musst endlich darüber hinwegkommen. Ich weiß, dass es sehr schmerzhaft für dich ist. Es ist schrecklich, dass du die Zwillinge verloren hast, aber ich werde nicht tatenlos zusehen, wie wir einander immer größeren Schmerz zufügen.« Er vermisste die Frau, die er einst so sehr geliebt hatte. »Du hast zwei großartige Kinder. Wir könnten doch auch mit ihnen glücklich sein. Warum komm st du nicht mit mir nach Los Angeles? Seit Monaten hast du keinen Fuß mehr vor die Tür gesetzt.« Er wollte noch einen Versuch machen, Kate zur Vernunft zu bringen.
»Ich will nirgendwohin fahren!«, beharrte Kate.
Joes Geduld war am Ende. Se ine Bemühungen hatten nichts bewirkt. Er war ärgerlich und zugleich traurig.
»Stimmt, du könntest ja auch auf andere Gedanken kommen! Du sitzt lieber hier herum und be mitleidest dich selbst. Kate, verdammt! Wann wirst du endlich erwachs en? Ich kann m ich nicht ständig nur um dich kümmern. Und ich kann dir die Kinder nicht zurückbringen. Vielleicht wollte das Schicksal einfach nicht, dass wir noch mehr Kinder bekommen. Das liegt alles nicht in unserer Hand.«
»Es war doch von Anfang an genau das, was du wolltes t, oder etwa nicht? Du wolltest, dass ich abtre ibe. Dann hättest du überhaupt nicht mehr nach Hause kommen müssen. Erzähl mir
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bloß nicht, wie viel du für mich getan hast, wie viel Glück ich doch habe. Ich will kein Wort mehr davon hören, Joe! Du bist doch sowieso nie da. Fünf verdammte Tage hast du gebraucht, um nach Ha use zu kommen, als alle glaubten, ich würde sterben. Woher nimmst du das Recht, mir zu sagen, dass ich erwachsen werden soll? Dauernd fliegst du mit deinen blöden Flugzeugen in der Gegend herum, während ic h m ich hier um m eine Kinder kümmere. Du bist wohl eher derjenige, der endlich erwachsen werden sollte!«
Joe starrte Kate f eindselig a n. Ohne ein Wort zu verlieren stand er auf und ging hinaus. Mit einem lauten Knall warf er die Wohnungstür hinter sich zu und verbrachte die Nacht im Plaza. Kate warf sich aufs Bett und weinte. Sie hatte all das gesagt, was sie niemals hatte aussprechen wollen. Sie war so v oller Trauer und Schmerz und fühlte sich unendlich einsam. Doch nun hatte sie alles nur noch schlimmer gemacht. Sie wünschte sich nichts m ehr, als dass er bei ihr blieb. Er so llte alles wieder in Ordnung bringen, und sie hasste ihn, weil es ihm nicht gelang. Natürlich konnte er ihr die Kinder nicht zurückgeben. Er konnte die Uhr
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