Danielle Steel
Wand an oder weinte stundenlang. Joe konnte nichts für sie tun. Sie sprach nur selten mit ihm und interessierte sich auch nicht m ehr für die
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Dinge, die er erzählte. Allein ihr Anblick machte Joe krank. Reed und Stephanie blieben den Juni über bei Andy und Julie. Die Lage verschärfte sich noch, als Kate erfuhr, dass Julie erneut ein Baby erwartete. Sie trauerte um die Kinder, die sie verloren hatte, und darum, da ss sie selbst nun nie mehr schwanger werden könnte.
»Vielleicht ist es wirklich besser so. Wir sind schon viel zu alt für Kinder«, sagte Joe eines Tages behutsam. Er bem ühte sich um ein vernünftiges Gespräch m it Kate. »So haben wir doch viel mehr Zeit für uns. Du könntest wieder mit mir auf Reisen gehen.«
Doch Kate wurde ärgerlich. Sie wollte nirgendwohin reisen, auch nicht mit Joe. Er schlug ihr eine Reise nach Europa oder an die Westküste vor, doch Kate weigerte sich standhaft.
Joe unternahm alles E rdenkliche, um seine Frau aufzuheitern, doch es gelang ihm nicht. Dann tat er schließlich das, was er a m besten konnte: Er ergriff die Flucht. Er konnte Kates Gegenwart nicht mehr ertragen. Sie war nur noch missmutig und niedergeschlagen. Sie schien – wie alle anderen auch – ihm die Schuld an dem zu geben, was passie rt war. Das war zu viel für Joe. Das ihm wohl bekannte Schu ldgefühl hatte sich wieder eingestellt. Also ging er so oft wie möglich auf Reisen, die er als unumgänglich darstellte. Er hatte so viel Zeit zu Hause bei Kate verbracht, dass er darüber seine Firma vernachlässigt hatte. Als Joe sein gewohntes Leben wieder aufnahm , lagen seine Nerven bloß. So oft er zu Hause anrief, es gab immer Streit. Es war ein nicht enden wollender Albtraum. Joe wollte nicht, dass es so weiter ging, doch er wusste nicht, was er dagegen unternehmen sollte. Er konnte einfach nicht zu Kate vordringen. Die alte Kate schien verloren, und die Frau, die sie geworden war, schlug ihn in die Flucht.
Drei Monate lang war Joe pausenlos unterwegs. Am Ende des Sommers waren Kate und er einander fremd geworden. Kate
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fuhr mit ihren Eltern und den Kindern nach Cape Cod, doch diesmal verzichtete Joe darauf, sie dort zu besuchen. Er blieb in Los Angeles. Elizabeth würde sicher sofort kundtun, was sie davon hielt, doch das interessierte ihn nicht mehr. Jahrelang war sie ihm m it unverhohlener Abneigung begegnet. Die Zeiten, in denen Joe versucht hatte, ihr alles recht zu machen, waren endgültig vorbei. Dasselbe galt für seine Beziehung zu Kate. Er war nach Hause gekommen, war bei ihr geblieben, hatte getan, was in seiner Macht stand, um sie ins Leben zurückzuholen. Doch es genügte einfach nicht.
Im Septem ber verbrachte Joe zwei Wochen zu Hause, und Kate schien etwas bess erer Stimmung zu sein. Doch als er ihr mitteilte, dass er bald nach Japan fliegen müsse, verlor sie die Beherrschung.
»Schon wieder? W ann bist du eigentlich jemals zu Hause?« Sie entwickelte sich immer mehr zu einer hysterischen Furie. Joe bedauerte bereits, dass er überhaupt nach Hause gekommen war. »Ich bin immer da, wenn du mich brauchst, Kate. Diesmal bin ich so lange wie möglich hier geblieben. Ich muss mich aber auch noch um das Geschäft kümmern. Du kannst mich gern begleiten, wenn du willst.« Seine Stimme klang kalt und reserviert.
»Nein danke.« Kate fand keine Ruhe. Sie war unglücklich und streitsüchtig, und das verschärfte die Situation. »Wann kommst du zurück?«, fragte sie vorwurfsvoll.
Zum ersten Mal in den vielen Ja hren, die sie sich mittlerweile kannten, konnte Joe sich vorstellen, dass er sie eines Tages hassen würde. Sie war einfach unausstehlich. Jene Kate, die er kannte und liebte, war schon lange verschwunden. Er wusste, dass die Fehlgeburt sie aus der Bahn geworfen hatte, doch er konnte ihr Verhalten kaum m ehr ertragen. Kate schien ihm eher tot als lebendig zu sein.
Kate ihrerseits sehnte sich verzweifelt nach Joe. Nur er konnte
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die Dinge wieder einrenken. Sie versank in ihrem Elend und wusste nicht, wie sie die Hand nach ihm ausstreck en sollte. Jedes Mal, wenn sie es versuchte, gewannen Zorn und Verzweiflung die Oberhand. Kate und Joe fanden keinen Zugang mehr zueinander, und doch begehrte Kate nur ihn. Sie liebte ihn noch immer. Stattdessen hasste sie sich selbst. Immer wieder spulte sich der gleiche Film vor ihrem geistigen Auge ab. Sie sah jede einzelne Szene ge nau vor sich: Sie fuhr auf der Landstraße, und dann war da plötzlich nur ein schwarzes Loch. Als
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