Danielle Steel
ununterbrochen in der Luft. Der Einsatz, den er über Gibraltar flog, schrieb Geschichte. Gemeinsam m it drei anderen Spitfire-Piloten schoss er während eines Aufklärungsfluges zwölf deutsche Stuka-Bomber ab. Diese Mission bereitete die Invasion der Alliierten vor, die als Operation Torch berühmt wurde.
Für seine Tapferkeit wurde Joe in Großbritannien ein Orden verliehen. Kurz danach flog er nach Washington, um dort eine wichtige Auszeichnung der Vereinigten Staaten von Amerika aus der Hand des Präsid enten entgegenzunehmen.
Diesmal war Kate über Joes bevorstehende Rückkehr informiert. Drei Tage vor Weihnachten nahm sie einen Zug von Boston nach Washington, um ihn zu treffen. Sie hatten achtundvierzig Stunden Zeit, bevor er wieder in Richtung England aufbrechen musste. Und wieder war diese kurze Zeit ein kostbares Geschenk, mit dem weder Kate noch Joe gerechnet hatten. Das Kriegsministerium quartierte Joe in eine m Hotel ein, und Kate mietete im selben Stockwerk ein kleines Zimmer. Sie begleitete Joe zu der Zeremonie im W eißen Haus, wo der Präsident auch ihr di e Hand schüttelte. Anschließend ließen sich Kate und Joe mit ihm fotografieren. Kate kam dies alles sehr unwirklich vor, es erschien ihr wie eine Szene in
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einem Kinofilm .
Anschließend lud Joe sie zum Dinner ein. Nachdem sie das Essen bestellt hatten, lächelte Kate ihn hingebungsvoll an. Er trug noch immer die Medaille und sah besser aus als jemals zuvor.
»Ich kann es kaum glauben, da ss du wirklich hier bist«, sagte Kate und strahlte über das ganze Gesicht.
Joe war wirklich ein Held. Während der Zeremonie war Kate hin und her gerissen gewesen. Sie war zwar unendlich stolz auf ihn, doch ihr wurde auch bewusst, dass Joe ebenso gut hätte ums Leben kommen können. Aber im Grunde kannte sie dieses Gefühl schon seit langem. Jeder Tag, an dem J oe unversehrt zu seinem Stützpunkt zurückkehrte, war wie ein Geschenk. Beinahe täglich hörte Kate von jungen Männern, die in Europa oder im Pazifik gefallen waren. Vi ele der Mädchen, die mit Kate zum College gingen, hatten bereits ihren Geliebten verloren. Da hatte sie selbst bisher doch sehr viel Glück gehabt. Kein Tag verging, an dem sie nicht verzweifelt um Joes Leben bangte. »Ich kann es auch nicht glauben«, nickte Joe und trank von seinem W ein. »Und eh ich mich versehe, bin ich wieder in England und riskiere mein Leben.«
In Amerika waren die Menschen arglos, der Krieg war für sie viel weiter weg. Überall waren Tannenbäum e aufgestellt worden, Weihnachtslieder erklangen, und die Kinder freuten sich auf ihre Geschenke. Wo m an hinschaute, sah man glückliche Gesichter, ganz im Gegensatz zu England, wo die Menschen Hunger litten und um ih r Leben fürchteten. Selbst die Kinder dort waren ernst und bedrückt. Die Menschen waren müde, erschöpft von den ständigen Luftangriffen, der allgegenwärtigen Zerstörung um sie herum. Häuser verschwanden in Sekundenschnelle, die Leute verloren ihre Verwandten und Freunde. In jenen Tagen war ein normaler Alltag in England unvorstellbar. Aber die Menschen, die Joe
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kennen gelernt hatte, waren alle sehr tapfer. Das Leben in Washington kam ihm vor wie ei n Traum. Kate erging es ähnlich: Jetzt, da Joe endlich bei ihr war, konnte sie wenigstens für einen Moment aufatmen.
Nach dem Dinner kehrten sie in s Hotel zurück und plauderten im Salon der Lobby miteinander. Stundenlang saßen sie dort, denn sie wollten sich nicht voneinander trennen. Es wurde immer später, und der Salon war schlecht beheizt. Doch Kate hielt es für unangemessen, dass sie zusammen auf eines der Zimmer gingen. Ihre Eltern hatten sie eigentlich nach Washington begleiten wollen, nicht um ihre Tochter zu beaufsichtigen, sondern um der Zerem onie beizuwohnen und Joe wieder zu sehen. Doch Clarkes Geschäfte m achten ihnen einen Strich durch die Rechnung. Wichtige Kunden aus Chicago hatten sich angekündigt, und Elizabeth wollte Clarke nicht allein lassen. Außerdem vertrauten beide Kate blind und wussten zudem, dass Joe ein verantwortungsbewusster Mann war. Schließlich wurde es so kalt im Salon, dass Joe vorschlug, doch hinauf in sein Zimmer zu gehen. Er versprach theatralisch, sich zu benehmen. Kates Hände waren bereits eiskalt, und sie klapperte mit den Zähnen. Draußen hatte es angefangen zu schneien, und es war bitterkalt.
Sie stiegen gemeinsam die schm ale Treppe zu den Zimmern hinauf. Es war ein kleines Hotel, und für Militärangehörige war es
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