Danielle Steel
wichtigen Teil ih res Lebens geworden. Im Somm er schließlich nahm sie ihren Dienst beim Roten Kreuz wieder auf.
Ende August fuhr sie mit ihren Eltern nach Cape Cod, doch diesmal wartete sie vergeblich darauf, dass Joe überraschend beim Barbecue erschien. Seit acht Monaten war er nicht mehr zu Hause gewesen, genauso lange hatte Kate ihn nicht mehr gesehen. Kate konnte nichts dagegen tun: Während sie lange einsame Spaziergänge am Strand entlang unternahm, musste sie immer wieder daran denken, dass sie eigentlich nun im achten Monat schwanger wäre. Ihre Eltern hatten nie herausgefunden, was geschehen war. Elizabeth klagte noch immer, dass Joe
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keinerlei Absichten hinsichtlich ihrer Tochter geäußert hatte. Sie erinnerte Kate ununterbrochen daran, dass sie auf einen Mann wartete, der ihr nichts versprochen hatte, keine Ehe, keine gemeinsame Zukunft. Er setze anscheinend einfach darauf, dass sie auf ihn warte, lasse tatenlos alles auf sich zukommen, bis er wieder zu Hause sei. Kate sei erst zwanzig Jahre alt, Joe je doch schon zweiunddreißig und damit alt genug, um zu wissen, was er wolle.
Jedes Mal, wenn Kate nach Hause kam, erinnerte ihre Mutter sie aufs Neue daran, und so blieb es bis spät in den Oktober hinein, als die Bäume bereits ihre Blätter abwarf en. Kate bereitete sich bereits auf die Prüfungen vor.
Eines Tages, als Kate gerade in d er Biblio thek saß, er hielt sie die Nachricht, dass ein Gast auf sie warte. K ate fragte nicht einmal nach, sie war überzeugt, dass es sich um Andy handelte. Er war nun im zweiten Jahr an der juristischen Fakultät und arbeitete sehr hart.
Sie lief schnell die Treppe hinunter, das Buch noch in der Hand, einen hellblauen Pulli über die Schultern geworfen. Sie trug einen grauen Rock und Reitstiefel, und als sie die letzte Stufe nahm, erblickte sie ihn. Es war Joe. Sein Gesichtsausdruck war sehr ernst, und Kate hielt den Atem an, als ihre Blicke sich trafen. Er schien einen Augenblick lang zu zögern, doch Kate warf sich sofort in seine Arme. Er klammerte sich an sie und wollte sie gar nicht mehr loslassen. Off enbar hatte er schwere Zeiten hinter sich. Es f iel ihm schwer, die passenden W orte zu finden, und Kate spürte auf einmal, wie sehr er sie brauchte. Auch Joe blieb von den grausamen Auswirkungen des Krieges nicht verschont.
»Ich bin ja so glücklich, dass du da bist«, sagte Kate mit geschlossenen Augen. Die vergangenen zehn Monate waren entsetzlich gewesen. Ständig hatte sie sich um Joe gesorgt, und dann hatte sie ihr gemeinsames Kind verloren und dieses einschneidende Erlebnis noch nicht einmal mit ihm teilen
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können.
»Und ich erst!«, antwortete Joe. Nur widerstrebend löste er sich von Kate und blickte ihr in die Augen. Er sah sehr müde aus. In den vergangenen Tagen war er beinahe ununterbrochen in der Luft gewesen. Viele seiner Kameraden waren bereits abgeschossen worden. Die Deutschen fühlten sich zunehmend in die Enge getrieben und mobilisierten noch einmal all ihre Kräfte.
Joe schaute Kate mit einem undurchdringlichen Blick an. Seine Verlegenheit war of fensichtlich. Kate wurde mit einem Schlag wieder bewusst, dass es jedes Mal lange dauerte, bis er sich ihr gegenüber öffnete. Seine Briefe waren so unbekümmert und geradeheraus, dass Kate häufig vergaß, wie verschlossen er sein konnte.
»Ich habe nur vierundzwanzig Stunden Zeit, Kate. Morgen Nachmittag werde ich in W ashington erwartet, und in der Nacht muss ich schon wieder nach England zurück.«
Er war wegen eines geheimen Auftrags in den Staaten, und es war nur unter größten Schwierigkeiten möglich gewesen, herüberzukommen. Doch darüber durfte er mit Kate nicht sprechen, u nd sie fragte ihn auch nicht danach. Sie wollte ihn keinesfalls in Bedrängnis bringen. Schlagartig kam ihr der Gedanke, dass ihr Kind nun einen Monate alt wäre. Joe ahnte von all dem nichts.
»Kannst du das College-Gelände für eine Weile verlassen?« Es war schon beinahe Zeit zum Abendessen, und Kate hatte noch nichts vor. Sie hätte für Joe ohnehin jede Verabredung abgesagt.
»Natürlich! Sollen wir ins Wohnheim hinübergehen?« Solange sie sich im Besucherrau m des Colleges aufhielten, m ussten sie sich an die Verhaltensregeln dort halten. Nach zehn Monaten konnten sie es kaum abwarten, allein zu sein.
»Wo sind wir denn ungestört?« Joe wollte sich entspannen und
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das Zusammensein mit Kate genießen. Er war sogar zu erschöpft, um sich mit ihr ausgiebig zu unterhalten. Er
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