... dann eben Irland (Das Kleeblatt)
Streit zwischen Máire und Fearghais ausgelöst hatte. Befürchteten sie, Matt’n könnte des Bildes wegen ausgerastet sein?
Sie beugte sich vor und betrachtete es genauer. „Wo hast du das her?“
„Fearghais hat ‘s gefunden. Auf dem Speicher.“
„Willst du es nicht aufhängen?“
„Nein!“
„ Das seid ihr beide.“
„Bravo!“ Er klatschte schwerfällig in die Hände.
„Hat euer Vater das Bild malen lassen?“
„Weiß nicht.“
Ihre Worte gingen ihm nicht aus dem Kopf. Es gefiel ihm nicht, dass sie die Sprache unbeirrt auf den alten Grafen brachte. Er hatte ihn nie an seinem Leben teilhaben lassen. Und das aus gutem Grund! Ihm verdankte er schließlich seine Einsamkeit und Härte, sein verpfuschtes Leben. Sollte er diese Erfahrung jetzt einfach aus dem Gedächtnis streichen, als hätte sie nie all sein Handeln bestimmt?
„Matt’n.“ Suses sanft tadelnde Stimme riss ihn aus seinen Gedanken. „Wenn nicht du das Bild in Auftrag gegeben hast, wer soll es dann gewesen sein?“
„Ja, es war der alte …“
„Euer Vater also.“
Sie trat vor das Gemälde und ihr Zeigefinger strich behutsam über das Gesicht des kleineren Jungen, den sie später zu ihrem Liebhaber und Vater ihrer Kinder gewählt hatte. Seine braunen Kulleraugen blickten verschmitzt zu dem Maler auf, gerade so als würden sie sich beide in heimlichem Einvernehmen über den viel zu ernsten Matthias amüsieren.
Sie stutzte, als sie die Jahreszahl entdeckte und unwillkürlich nachzurechnen begann. „Es ist gemalt worden, da ward ihr acht Jahre alt.“
„Das kann nicht sein.“ Matthias kniff die Augen zusammen. „Wir waren zehn bei unserer ersten Begegnung. Ich zumindest. Und Ossi … er war nie mit mir in Killenymore.“
„Fragst du dich nicht auch, warum euer Vater ein Bild von seinen beiden Söhnen malen ließ? Und das off enbar, noch ehe ihr euch kennengelernt habt? Er hatte es unter Garantie die ganze Zeit genau hier hängen, in dem Raum, welchen er am häufigsten nutzte. Matt’n, so blind kann nicht mal ein irischer Sturkopf wie du sein! Er empfand Stolz, ganz sicher, und Liebe, selbst wenn er es sich nicht in dieser Deutlichkeit eingestehen wollte und schon gar nicht darüber redete.“
„Ich habe mir geschworen , nie mehr einen Gedanken an ihn zu verschwenden.“
Der Tod des Grafen hatte keine Lücke bei ihm hinterlassen können. Nicht einmal sein langsamer, qualvoller Tod hatte ihn berührt. Was eigentlich unterschied ihn dann von der Kaltherzigkeit seines Vaters? Er war ihm ähnlicher, als ihm lieb war, und diese Erkenntnis erschreckte Matthias zutiefst. Er hatte nie vorgehabt, so zu enden wie er: verbittert, zerfressen von seiner Isolierung und immerwährenden Trauer und Buße, die er sich selbst auferlegt hatte. Dennoch war er auf dem besten Weg dahin.
„ Wovor hast du Angst? Einen kindischen Schwur zu brechen, lässt die Welt nicht untergehen. Hast du Angst zu entdecken, dass dein Vater doch nicht ein solch herzloses Monster war, wie du dir seit Jahren einzureden versuchst? Und dass du, wenn du ehrlich bist, deine Meinung von ihm revidieren musst? Dass selbst du nicht unfehlbar bist? Oder befürchtest du, dass sich unter deinen Bewunderern herumspricht, der große Matthias Emanuel hätte eine Fehleinschätzung abgegeben? Was ist los mit dir?“
„Was los ist, willst du wissen? Ich bin betrunken. Und ich bin einsam. Betrunken seit …“ Sein glasiger Blick irrte durch den Raum auf der Suche nach seinem Whiskeyglas. „Ich weiß nicht. Auf jeden Fall ist es besser, du lässt mich jetzt allein. Seit Monaten bin ich einsam und in diesem Zustand tauge ich nicht für die Gesellschaft einer Frau. Egal, welche es ist und was sie von mir will.“
Oder auch nicht, denn er erinnerte sich an Zeiten, da er sich einfach genommen hatte, was er wollte.
S use stapfte zur Tür, wütend angesichts seines Starrsinns, und horchte angestrengt nach draußen. „Sie scheinen weg zu sein. Du solltest eine Nacht lang darüber schlafen. Glaubst du, du schaffst es bis nach oben?“
32. Kapitel
„Was machst du denn hier?“ Überrascht schaute Máire von der Arbeitsplatte hoch, auf der sie gerade einen Klumpen Teig durchwalkte. „Ich will natürlich nicht unhöflich sein.“
„Oder gar neugierig“, ergänzte Suse mit einem schiefen Lachen.
„ Mich verwundert lediglich dein Aufzug. Wolltet ihr euch heute nicht Blarney Castle ansehen?“
„Ja. Hatten wir vor. Heute.“ Sus e legte den Kopf zur Seite.
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