... dann eben Irland (Das Kleeblatt)
wollte er voller Übermut die ganze Welt uma rmen und auf und davon fliegen. „Es zaubert ein Lächeln auf jedes trauernde Gesicht. Die Tränen des Kummers versiegen, denn man weiß, die Trennung von den Liebsten wird nicht für ewig sein.“ Er wirbelte wie ein Kreisel durch die Luft und stieß einen schrillen Pfiff aus. „Was meint Ihr dazu?“
„Tja, ganz nett. Aber was macht Sie so sicher, dass es solch ein Land gibt?“, drängte sie auf eine überzeugende Antwort.
„Fakten! Fakten! Beweise! Wer glaubt, braucht keinen Beweis.“ Lurgadhan de Búrca stampfte mit dem Fuß auf und blickte mit säuerlicher Miene zu Susanne. Dann winkte er ab, wandte sich um und begann mit hektischen Schritten zwischen den Grabsteinen auf und ab zu stiefeln. Um ihn herum schwirrte die Luft.
„So etwas habe ich schon mal gehört.“ Sie ließ ihren Kopf auf die angezogenen Knie sinken. „Und Sie wissen ganz bestimmt, dass es Tír na nÓg gibt?“
Er drehte sich zu ihr um und sprang mit einem Satz auf die Plattform. Dann zog er sein Pfeifchen aus der Jackentasche und schmauchte genüsslich .
„ Was denkt Ihr?“, zog er sie mit einer Gegenfrage auf. „Geht die Sonne morgen auf?“
„ Doch woher wollen Sie das wissen?“
Lurgadhan de Búrca wackelte schelmisch mit den Augenbrauen.
„Oh nein“, wehrte Suse vehement ab. „Nein, nein, behaupten Sie jetzt bloß nicht, Sie wären dort gewesen! Damit outen Sie sich unwiderruflich als schamlosen Lügner.“
Er wiegte seinen Kopf bedeutungsvoll hin und her, was eine Antwort so gut wie keine war.
„Und?“
„Die Anderswelt ist ein Abbild eurer Welt hier oben mit all ihren Städten und Palästen, nur ist alles viel prächtiger und strahlender. Es ist ein Ort, an dem es keinen Tod, kein Altern, keine Krankheit und kein Leid gibt. Man vergnügt sich den lieben langen Tag mit ausgelassenen Festen, fröhlichen Liedern und den schönsten Tänzen. Die Menschen necken sich und lachen und haben jede Menge Spaß bei allem, was sie tun. Darüber vergeht die Zeit derart schnell, dass Hunderte von Jahren wie wenige kurze Tage erscheinen.“
„ Ist Adrian …“ Suse entschlüpfte ein hektischer Lacher. „So ein Quatsch! Es ist vollkommen absurd. Ich sitze hier am helllichten Tag mit einem Gespenst und frage ihn, ob Adrian in Tír na nÓg ist. Mein Gott, ich muss verrückt sein!“
„Was glaubt Ihr selber, ehrenwerte Lady?“
„Dass ich allmählich den Verstand verliere. Und dass ich es hasse, wenn Fragen mit Gegenfragen beantwortet werden!“
Auszeit! Jetzt hörte sie sich schon an wie der oberschlaue Matthias Emanuel, mit dem sie an diesem Morgen gefrühstückt hatte, bis er sich mit viel Arbeit entschuldigte und sie alleine loszog, um auf den Hügel zu stiefeln. Also wieder einmal zu früh auf einen weiteren Ausflug gefreut! Hatte er nicht einen neuen Buchhalter einstellen wollen?
„Also, sagt , was glaubt Ihr?“
„Ich … ich glaube … eigentlich gar nichts .“
„Das ist Unsinn“, tadelte Lurgadhan de Búrca mit einem vorwurfsvollen Kopfschütteln.
„Ich bin Atheist.“ Sie reckte triumphierend die Nase in die Höhe.
„Atheist sein heißt nicht, an nichts zu glauben. Jeder glaubt an irgendetwas. An das Gute im Menschen beispielsweise.“ Er knickte einen Finger nach dem anderen um, während er aufzählte: „An die Kraft des Verstandes, an Ehre und Gerechtigkeit, an die Macht der Liebe. Euer Glaube versetzt Berge.“
„Aber er bringt mir nicht den Menschen zurück, den ich liebe!“, schrie sie ihm ins Gesicht.
„Ihr müsst daran glauben“, flehte er sie an. „Glaubt daran und ihr werdet ihn sehen.“
„Ich sehe ihn in meinen Träumen.“ Mit einer erschreckend hilflosen Geste streckte sie ihm ihre leeren Hände entgegen. „Doch wenn ich ihn berühren will, peng !, zerplatzt mein Traum wie eine schillernde Seifenblase. Ich möchte noch einmal seinen wunderschönen Körper berühren, den Geschichten seiner sprechenden Augen lauschen, mich von seiner Wärme gefangen nehmen lassen. Meine Sehnsucht nach ihm verbrennt mich. Und es tut so weh, dass mir manchmal das Atmen schwerfällt und ich am liebsten …“
Halb blind vor Tränen spürte sie die Hand von Lurgadhan de Búrca, die ihre umschloss, und das Taschentuch, mit dem er ihr behutsam die Augen trocknete. „Kein Mann, und sei er noch so hart und unerbittlich, kann sich gegen die Tränen einer Frau wappnen. Verzeiht, wenn ich mich einmische.“
„Danke.“ Sie schniefte ein letztes Mal und
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