... dann eben Irland (Das Kleeblatt)
Höhe, düster und kraftvoll. Genau wie Seine Lordschaft. Suse war beeindruckt von der Ruhe, Eleganz und Erhabenheit, die beide ausstrahlten. Im Gegensatz zu den mit Antiquitäten überladenen Zimmern und Gängen, die Zeugnis von der langen Tradition und dem immensen Vermögen der Familie ablegten, schien die Bibliothek lediglich nach zweckmäßigen Gesichtspunkten ausgestattet zu sein.
Und das war wohl der Grund, warum sie sich hier sofort wie zu Hause fühlte. Es war einer der wenigen Räume im Haus, der nicht die Unpersönlichkeit von Wohnungen ausstrahlte, deren Inhaber nur wenig Zeit daheim verbrachten.
Bü cherregale nahmen die gesamte Breite zweier Wände ein und reichten über zwei Etagen bis unter die hohe Decke. Über den einzelnen Abteilungen waren römische Ziffern in Intarsien zur besseren Orientierung eingelassen. Die Fensterfront bot ein Bilderbuchpanorama des beleuchteten Parks und verriet Suse bei ihrem flüchtigen Blick hinaus, dass sich die Bibliothek direkt unter ihrem Schlafzimmer befinden musste.
„Unordnung ist doch etwas Relatives“, maulte sie und dachte: Gut aussehend ist ein viel zu schwacher Ausdruck, um ihn zu beschreiben. Er bewegt sich wie ein Teil der Nacht, dunkel, geschmeidig, dahin brausend wie ein Sturm, der von der See her aufzieht. Sein Körper ist wie eine Naturgewalt, jede Bewegung wie der Wind, voller Anmut und Kraft. Warum versucht er, seine Wildheit zu verbergen? Auch der strengste Haarschnitt und die nüchternste Kleidung werden das nicht schaffen.
„Bist du jetzt sehr enttäuscht?“
„Eigentlich hätte ich wissen müssen, dass man von dir nichts anderes erwarten kann.“
Während er das Geschirr auf dem Tisch vor einer Sitzecke aus moosgrünem Leder ordnete und mindestens zwei Dutzend Kerzen in hohen Leuchtern entzündete, schlenderte Suse zu dem gewaltigen Schreibtisch. Der war übersät mit beschriebenen und leeren Papieren, Schreibzeug, aufgeschlagenen Büchern und einer altertümlichen Schreibmaschine. Genüsslich strich sie mit dem ausgestreckten Zeigefinger über das dunkle Holz und musste einigermaßen frustriert feststellen, nicht das kleinste Körnchen Staub darauf zu finden.
„Nicht nur Ordnung halten, sondern ebenfalls Staub wischen habe ich von Máire gelernt“, erklärte Matthias, der sie heimlich beobachtet hatte.
Sein Gesicht lag im Halbdunkel , trotzdem hätte Suse schwören können, dass er grinste. Sie antwortete ihm mit einem ausgestreckten Mittelfinger und untersuchte ihre Fingerkuppe noch einmal peinlichst nach verräterischen Spuren von Schmutz.
Plötzlich packte sie das schlechte Gewissen am Kragen. „Ich habe dich tatsächlich bei der Arbeit gestört“, murmelte sie zerknirscht eine Entschuldigung.
„Dachtest du im Ernst, ich hätte irgendetwas in Ruhe erledigen können, während du möglicherweise verletzt im Moor liegst und vergeblich um Hilfe rufst?“
Was hätte sie darauf erwidern sollen, das nicht zu persönlich geklungen hätte? Statt zu antworten deutete sie auf den mannshohen, offenen Kamin, in dem ein heimeliges Feuer loderte. „Heizt man in Irland nicht üblicherweise mit Torf?“
„Der Geruch ist nicht jedermanns Sache. Und dann obendrein dieser Ruß! Nein, danke! Außerdem mag ich das Knistern des trockenen Holzes lieber.“
„Aaah, ein Romantiker“, spöttelte sie, weil sie nicht zugeben wollte, dass sie es ebenfalls liebte. „Aus eben diesem Grund benutzt du vermutlich auch keinen Computer für deine Abrechnungen? Kein Wunder, wenn du damit nicht aus der Knete kommst.“
Schmunzelnd trat er hinter den Schreibtisch und ließ sich in den schweren Ledersessel sinken. Mit einer lässig eleganten Geste betätigte er einen verborgenen Knopf unter der Tischkante und wie aus dem Nichts erhoben sich in Sekundenschnelle ein hochmoderner Computer, Drucker, Fax und Scanner aus der Holzplatte, die sich nach unten klappte. Ein weiterer Knopfdruck genügte und die Vertäfelung an einer der Wände glitt zur Seite. Auf drei überdimensionalen Flachbildschirmen flimmerten wirre Zahlenreihen und Nachrichten.
„Was ’n das?“
„ Ich nenne es meine Geheimwaffe. Meinen Goldesel.“
„Pah , oller Angeber!“ Sie trat einen Schritt näher. „Sieht aus wie …“
Hieroglyphen. Endlos lange Ziffernfolgen.
„Börsenberichte“, half er ihr auf die Sprünge. Sie schaute ihn verblüfft an. „Hat bisher noch jede beeindruckt.“
„Ich bin nicht jede.“
„Nicht vergessen, Wireless . Niemals werde ich …“
„Hör
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