Dann eben nicht, Jeeves
hallo und noch einmal hallo. Ist das Leben nicht wunderschön, Bertie? Ich finde, es ist eins der schönsten.«
Ich war sprachlos. Aber bei uns Woosters fällt der Groschen schnell, und deshalb begriff ich sofort, was geschehen war.
Ich meine, ich habe Ihnen doch erzählt, wie er im Garten immer im Kreis herum lief. Und ich habe auch berichtet, worüber wir uns unterhalten haben. Und wenn meine Beschreibung dieser Szene auch nur halbwegs brauchbar war, dann müßte Ihnen dieser Fink-Nottle als ein komplettes Nervenwrack in Erinnerung sein, weich in den Knien, grün im Gesicht und vor Angst und Schrecken nervös an seinen Jackenknöpfen herumfummelnd. Mit einem Wort: defätistisch. Gussie hatte bei diesem Gespräch alle Anzeichen von Kleinmut und Beklemmung aufgewiesen.
Wie anders war jedoch der Gussie, der jetzt vor mir stand. Er strahlte unerschütterliches Selbstvertrauen aus. Sein Gesicht war gerötet, seine Augen blitzten unternehmungslustig, und sein Mund war verzogen zu einem breiten Zahnpastalächeln. Als er mir wohlwollend auf die Schulter schlug, war es, als hätte mich ein Maulesel getreten.
»Na, Bertie«, fuhr er fort, sorglos und fröhlich wie ein Zeisig, »ich muß sagen, du hattest wirklich recht. Deine Theorie hat sich als richtig erwiesen. Ich fühle mich wie ein Stier in der Arena.«
Die Nebel um mich her lichteten sich. Ich begriff.
»Hast du etwas getrunken?«
»Ich habe. Wie du mir gesagt hast. Schmeckt ja scheußlich. Wie Medizin. Brennt einem im Hals, und man kriegt einen höllischen Durst davon. Ich begreife nicht, wie du so was zum Vergnügen kippen kannst. Aber ich muß zugeben, daß es einen aufmöbelt. Ich könnte einem Tiger in den Schwanz beißen.«
»Was hast du denn getrunken?«
»Whisky. Das stand zumindest auf der Karaffe, und ich habe keinen Grund anzunehmen, daß jemand wie deine Tante – eine Engländerin von echtem Schrot und Korn – die Öffentlichkeit bewußt irreführen würde. Wenn sie ein Etikett mit der Aufschrift ›Whisky‹ an die Karaffe hängt, dann gehe ich davon aus, daß dies den Tatsachen entspricht.«
»Also Whisky mit Soda? Das hast du ja großartig gemacht.«
»Soda?« sagte Gussie nachdenklich. »Ich wußte ja, daß ich etwas vergessen hatte.«
»Hast du etwa kein Soda genommen?«
»Ich hab nicht daran gedacht. Bin nur mal schnell ins Eßzimmer gehuscht und hab aus der Karaffe getrunken.«
»Wieviel?«
»Na, so ungefähr zehn Schlückchen. Es können auch zwölf gewesen sein. Oder vierzehn. Also sagen wir sechzehn mittelgroße Schlucke. Mann, hab ich einen Durst.«
Er ging hinüber zum Waschbecken und trank gierig aus der Leitung. Ich warf einen verstohlenen Blick auf das Foto von Onkel Tom, das hinter ihm stand. Zum ersten Mal in meinem Leben war ich froh, daß es so groß war. Hinter ihm war das Geheimnis gut aufgehoben. Wenn Gussies Auge auf diesen Krug mit dem Orangensaft gefallen wäre, hätte er sich unweigerlich darauf gestürzt.
»Ich freue mich jedenfalls, daß du so obenauf bist«, sagte ich.
Er kam wohlgelaunt vom Waschbecken zurück und versuchte, mir noch mal auf die Schulter zu hauen. Da ich ihm durch einen Sidestep geschickt auswich, kam er ins Wanken und setzte sich aufs Bett.
»Obenauf? Habe ich gesagt, ich könnte einem Tiger in den Schwanz beißen?«
»Das hast du gesagt.«
»Machen wir zwei Tiger daraus. Ich könnte mit bloßen Händen einen Panzerschrank knacken. Du mußt mich vorhin im Garten für einen schrecklichen Idioten gehalten haben. Mir ist jetzt klar, daß du dir hinter der vorgehaltenen Hand eins gelacht hast.«
»Aber woher denn!«
»Doch«, beharrte Gussie. »Hinter dieser Hand«, sagte er und deutete darauf. »Und ich kann’s gut verstehen. Ich weiß gar nicht, warum ich mich wegen dieser Lappalie, in einem popeligen Dorfgymnasium ein paar Preise auszuhändigen, dermaßen angestellt habe. Weißt du etwa, warum, Bertie?«
»Nein.«
»Siehst du, ich auch nicht. Es ist doch wirklich nichts dabei. Ich hopse aufs Podium, sage ein paar passende Worte, drücke den Lausebengels die Preise in die Hand und hopse unter allgemeinem Applaus wieder runter. Von geplatzten Hosennähten keine Spur. Ich meine, wieso sollten denn auch irgendwem die Hosennähte platzen? Ich weiß es wirklich nicht. Weißt du es?«
»Nein.«
»Ich auch nicht. Ich werde einen Bombenerfolg haben. Ich weiß nämlich genau, was bei den Leuten ankommt – etwas Einfaches, Kerniges, Aufmunterndes frisch von der Leber weg. Hier, von der
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