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Dann fressen ihn die Raben

Dann fressen ihn die Raben

Titel: Dann fressen ihn die Raben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Meinke
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passt. Mit Mateus zusammen. Und vielleicht kennt ihr noch andere? Was hältst du davon?“
    Doch ich hatte keinen Bock mehr auf all die Geheimniskrämerei und Typen wie Aske, die glaubten, sie könnten die Welt retten. Ich wollte meinen ökologischen Reis essen dürfen, ohne ein schlechtes Gewissen zu haben, weil irgendein Frosch auf dem Feld gestorben war, auf dem man meine Reiskörner geerntet hatte. Aber wenn ich jetzt abhaute, wäre es unmöglich, Jonathans Spur weiter zu verfolgen. Sie würde genau an dieser Stelle enden, und das wollte ich nicht. Wenn wir die Suche nach ihm nicht aufgaben, blieb Jonathan irgendwie lebendiger.
    „Ja, danke, das würde ich sehr gern“, antwortete ich, „aber Aske?“ Er sah mir direkt in die Augen. „Weißt du eigentlich, worüber Jonathan genau schreiben wollte?“
    „Geht es dir immer noch um Jonathan?“, fragte Aske tonlos.
    „Nein, also … nicht wirklich. Ich wollte einfach nur fragen. Ich habe gerade mit seinen Eltern gesprochen, die total am Boden zerstört sind. Ich wollte wenigstens irgendetwas unternommen haben, weißt du?“
    „Es ist genau, wie ich es dir schon beim letzten Mal gesagt habe. Irgendwann hat er aufgehört, uns zu kontaktieren.“ Er machte eine kurze Pause und drehte sich eine Kippe. „Ehrlich gesagt war mir das auch ganz recht. Leute, die sich wie Journalisten benehmen, haben ja naturgemäß einen Hang zum Petzen, damit sie ihrer Umwelt beweisen können, was sie alles rausgefunden haben. Und daran habe ich kein Interesse.“
    „Und was ist mit dem HQ? Habt ihr jemals darüber gesprochen?“
    „Wenn er Kontakt mit dem HQ gehabt haben sollte, dann hast du nach dem nächsten Samstag ja alle Gelegenheit dazu, direkt bei ihnen nachzufragen.“
    Er setzte ein geheimnisvolles Lächeln auf.
    „Gut.“ Und dann streckte er mir zum Abschied lässig die Handfläche entgegen. Das kannte ich von den Monkeys gar nicht. Ich schlug hastig ein und machte mich auf den Weg. Aske war einfach nur ein Vollidiot. Aber er brachte mich dem HQ näher. Und womöglich Jonathan. Wenn ich das herausgefunden hatte, was ich wollte, würde ich sofort aus dieser Scheiße aussteigen.
    Ein neuer entgangener Anruf. Wieder von Rie. Ich rief schleunigst zurück.
    „Kannst du nicht vorbeikommen?“, rief sie mit tränenerstickter Stimme.
    „Das würde ich ja gern, Rie, aber …“ PaNick! „… ich habe mir so eine blöde Grippe eingefangen. Kann ich nicht lieber übermorgen kommen?“ Ich verabschiedete mich schnell, legte auf – und das Rie-Problem war gelöst.
    „Grippe?“, hörte ich eine Stimme hinter mir. Ich drehte mich um und starrte in Miras riesengroße Augen. „Du hast doch keine Grippe.“
    Sie lachte. Ich musste wohl etwas überrascht ausgesehen haben.
    „Ich bin dir gefolgt.“ Wir überquerten den Tagensvej und bogen in den Blegdamsvej ein.
    „Aske ist weg. Kannst du nicht zu mir kommen? Dann musst du wenigstens nicht nach Hause.“ Nach dem nächsten Samstagmusste diese Geschichte ein Ende haben. Ich musste es ihr irgendwie auf nette Weise verklickern.
    „Ich fühle mich aber wirklich total erkältet“, sagte ich und versuchte, fiebrig zu lächeln.
    „Ooooch, das tut mir aber leid für dich“, sagte sie und setzte einen übertrieben mütterlichen Tonfall auf. „Umso mehr ein Grund, zu mir zu kommen. Wir können uns ein paar Käsebrote schmieren – und ich kann dir natürlich auch eine Tasse Tee kochen.“ Sie meinte es ernst.
    „Nein, ich glaube wirklich, es ist besser, wenn ich erst mal nach Hause gehe und mich ein bisschen ausruhe.“ Sprach ich, lächelte und winkte. Und dann nichts wie weg. Weg!
    Zu Hause war die Stimmung frostig. Henrik ignorierte meine Existenz. Er saß in der Küche und bastelte Fliegen zum Fliegenfischen. Meine Mutter saß im Wohnzimmer, lächelte kurz, sagte Hallo und widmete sich dann wieder ihrer Frauenzeitschrift.
    „Hallo“, sagte ich. „Habt ihr schon unterschrieben?“
    „Unterschrieben? Nein. Haben wir nicht.“ Sie wirkte so verletzt, als hätte auch sie eine Brandwunde – auf ihrer Seele. Ich schlich mich davon und fühlte mich elend. Plötzlich hatte ich eine Idee, suchte mechanisch Livs Nummer heraus und rief sie an.
    „Schlechte Luft zu Hause?“, fragte sie.
    „Ja, das kann man wohl sagen.“
    „Willst du auf eine Tasse Tee vorbeikommen?“ Als sie das sagte, wünschte ich mir so innerlich, dass sie meine Freundin wäre und ich bei ihr zu Hause sitzen könnte und sie mich umarmen und trösten

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