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Dann fressen sie die Raben

Dann fressen sie die Raben

Titel: Dann fressen sie die Raben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beatrix Gurian
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die?«
    »Die Ärztin im Krankenhaus hat sie mir für dich mitgegeben, damit wir nicht noch in eine Notapotheke fahren müssen, nach allem, was passiert ist.«
    Mir ist immer noch sehr schwindelig und mein Kopf fühlt sich an, als würden wilde Walküren auf schweren Wikingergäulen kreuz und quer hindurchgaloppieren. Und ich habe das Gefühl, dass ich dringend einmal eine Nacht durchschlafen muss.
    Also nehme ich die Tabletten, stehe auf und spüle sie mit einer Handvoll Wasser aus dem Hahn herunter. Dann schleppe ich mich wieder zu Pa an den Tisch.
    »Warum hast du dich mit Lina heimlich getroffen?«, frage ich müde und habe keine Ahnung, warum mir das ausgerechnet jetzt einfällt. »Hat sie dir da etwas erzählt, was uns helfen könnte, das alles zu verstehen?«
    Er nimmt den Becher und trinkt von dem Tee, als wäre der mit Stecknadeln versetzt.
    »Ruby, ich verstehe, dass jeder seine Art hat, mit dem Tod eines nahen Verwandten umzugehen. Aber du musst damit aufhören.«
    »Ich habe keine Ahnung, wovon du redest.« Ich nippe auch an dem Tee, der auf meiner Zunge brennt, aber meinem wunden Hals guttut. Ich nehme noch einen großen Schluck hinterher.
    »Ich meine die Sache mit dem Foto. Und dann dieser merkwürdige Überfall.«
    »Glaubst du, ich habe mich selbst überfallen?« Ich fasse es nicht. Für so irre kann er mich nicht halten, er kennt mich doch, ich bin seine Tochter!
    »Nein, nein, aber du baust dir eine Theorie zusammen, nur um mit dem Tod deiner Schwester fertigzuwerden.«
    »Und was war in der U-Bahn? Der Stoß in den Rücken?«
    »Ein Versehen!«
    »Das Foto mit dem toten Jungen?«
    »Ein Zufall!«
    »Der Überfall auf der Treppe im Keller?«
    »Davon weiß ich nichts.« Er starrt mich so fassungslos an, als hätte ich gerade einen Löwen aus dem Hut gezaubert.
    »Und dann ist da dieses @-Zeichen mit dem Äskulapstab und natürlich noch der vergiftete Napoleon!«
    »Was?« Ein ungläubiges Lächeln legt sich über seine Fassungslosigkeit. »Der vergiftete Napoleon? Und was für ein Stab? Jetzt reicht es aber, Ruby.«
    »Du glaubst also, ich bin verrückt geworden, ja?« Ich springe auf, gehe zu ihm hin und zeige auf mein Gesicht. »Du denkst wirklich, ich füge mir diese Verletzungen selbst zu? Und was ist mit dem Zeugen? Habe ich den etwa angeheuert, damit er behauptet, er hätte mich aus den Klauen eines Schwarzen vor dem sicheren Tod gerettet?«
    Ich bin immer lauter geworden, möchte am liebsten schreien.
    »Nein, nein.« Pa hebt beschwichtigend die Hände. »Der Überfall war natürlich echt. Aber er hat mit allem anderen nicht das Geringste zu tun. Das reimst du dir zusammen.« Er legt eine Hand auf meinen Arm. »Ruby …«
    Ich ziehe meinen Arm weg. Mein Vater sitzt tatsächlich hier und glaubt mir kein Wort.
    »Und warum hast du dich mit Lina heimlich getroffen?«
    Er seufzt und das ärgert mich.
    »Lass mich raten, du wolltest keinen Ärger mit mir, ja?«
    »Nein, Lina hat das vorgeschlagen.«
    Irgendwie macht mich seine Antwort wieder wütender.
    »Und das findest du richtig? Wenn sie vorgeschlagen hätte, Rasputin zu Schinken zu verarbeiten, dann hättest du das auch gemacht, ja?«
    »Verdammt.« Er schlägt auf den Tisch, sodass die immer noch unangetasteten Brote in die Luft hüpfen. »Ruby, jetzt beherrsch dich bitte! Komm mal wieder runter.«
    »Wer ist denn überfallen worden, du oder ich?«
    Jetzt hat er auch noch Tränen in den Augen. »Du, mein Schatz, du. Es tut mir leid, alles, einfach alles tut mir so leid.« Er legt den Kopf auf seine Arme.
    Und ich sitze daneben, kann nicht fassen, was ich da sehe, bin auf mich wütend, dass ich mich so verhalte, bin auf ihn wütend, dass er mir nicht glaubt, bin auf meine Schwester wütend, dass sie einfach stirbt und mich mit all diesem Wahnsinn zurücklässt.
    Ich gehe in Linas Zimmer, greife mir Schenk und Mr Singer, drücke sie fest an mich und lege mich auf Linas Bett. Vergrabe mein lädiertes Gesicht in den Kuschelhasen und wünschte, ich wäre wieder vier Jahre alt und läge kichernd mit Lina unter einer Decke.
    Aber ich bin allein.
    IX
    Ein schlechtes Wort aber ist wie ein schlechter Baum, der aus der Erde entwurzelt ist und keine Festigkeit hat.
((14:26))
    Er hat es zwar geschafft zu entkommen, aber er kann nicht mehr zur Arbeit zurück, denn dort wartet nicht nur Amari auf ihn, sondern auch der Chef. Und für die Unterkunft gilt das Gleiche.
    Jetzt bleibt ihm nur noch die Gazelle. Aber er erinnert sich nur allzu gut an das

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