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Dann fressen sie die Raben

Dann fressen sie die Raben

Titel: Dann fressen sie die Raben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beatrix Gurian
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zumindest Napoleon.
    »Hör mal, Leon«, sage ich zu ihm und streichle ihn wieder. »Wenn du jetzt ein bisschen für mich arbeitest, dann bringe ich dir nachher einen ganzen Käselaib, versprochen.« Ich komme mir reichlich blöd vor, schließlich habe ich nicht die geringste Ahnung von Hunden, trotzdem halte ich ihm die Bürste vor die Nase und sage: »Such, such, Napoleon!«
    Leon starrt mich an, als wäre ich nicht ganz bei Trost, und legt sich dann mit einem Seufzen vor meine Füße.
    »Nein, nein, Leon, nicht schlafen, suchen! Such, los, such gefälligst!«
    Mein harter Ton bringt ihn wieder dazu, aufzustehen und sogar mit dem Schwanz zu wedeln, aber vermutlich glaubt er, wir würden jetzt spazieren gehen.
    Ich halte ihm die Bürste direkt vor die Nase und bin fast so weit, mich auf alle viere zu werfen, um ihm vorzumachen, was ich von ihm erwarte. Nachdem ich noch dreimal mein Kommando wiederholt habe und langsam fürchte, dass ich meinen Plan abschreiben kann, scheint er plötzlich Witterung aufzunehmen. Seine Nase zittert und er läuft aufgeregt in eines der Zimmer. Ich folge ihm auf einem Pfad, der durch den im Raum gestapelten Müll so eng ist, dass ich nur einen Fuß vor den anderen setzen kann und wie auf einem Schwebebalken balancieren muss. Es ist mir schleierhaft, wie der General sich hier durchwinden kann, ohne seinen massigen Schäferhundkörper dabei zu verletzen.
    Während wir langsam vorwärtskommen, wiederhole ich immer wieder wie ein Mantra: Mach, dass er es findet, mach, dass dann der ganze Spuk aufhört. Keine Ahnung, wen ich meine, aber mir hilft es.
    Da durchschneidet die Türklingel laut und fordernd meine Gedanken. Ich bleibe wie erstarrt stehen und merke, dass mein Puls anfängt zu rasen.
    Wieder dieser hässliche Ton. Ich bin überrascht, dass man das Läuten nicht gedämpfter hört, bei all den Kisten, Kartons, Tüten und alten Zeitungen, die uns umgeben. Napoleon starrt mich an, als wollte er mich fragen, ob er jetzt bellen soll. »Schschscht!«, flüstere ich ihm zu. Leon setzt sich hin und schaut mich weiter an.
    Es klingelt wieder. Lange und durchdringend. So läutet nicht mal unser Postbote und der klingelt immer, als würde die Welt untergehen, wenn man nicht sofort aufmacht.
    Endlich gibt der Besucher auf.
    Ich nicke Leon zu, halte ihm wieder die Haarbürste von Lina unter die Nase. Tatsächlich hebt er sein Hinterteil vom Boden und trabt zielsicher durch die Müllschluchten weiter.
    Plötzlich sehe ich, wie sich seine Ohrenspitzen drehen, er wendet seine Schnauze zu mir und jault leise.
    Ich bleibe wieder stehen und lausche.
    Ein Klicken, die Klinke der Tür wird niedergedrückt, danach ein schleifendes Geräusch, jemand schrammt die Eingangstür über den zugestellten Boden.
    Dann vorsichtige Schritte. Alle meine Haare stellen sich auf. Nach dem Überfall gestern weiß ich, wie verwundbar ich bin. Mein Leben kann genauso schnell zu Ende sein wie das von Lina. Ganz klar – wer auch immer es ist, er ist hinter dem Gleichen her wie ich.
    Der Schwindel von vorhin kommt zurück. Nichts da, Ruby, du musst versuchen, klar zu bleiben. Aber was jetzt? Der einzige Weg nach draußen ist der schmale Pfad zurück. Direkt in die Arme des Einbrechers.
    Leon wird unruhig, macht Anstalten zurückzugehen. Ich versuche, ihm Platz zu schaffen. Wer auch immer hier hereingekommen ist, weiß den Code und kennt demzufolge auch den Hund. Er würde Verdacht schöpfen, wenn Napoleon sich nicht rührt.
    Der General verschwindet schwanzwedelnd um die Ecke und ich halte den Atem an. Ich bin sicher, dass der Eindringling ein Mann ist. Ich glaube nicht, dass eine Frau einfach so in diese vermüllte Wohnung gehen würde, wenn niemand da ist.
    Was für ein Witz, Ruby. Und was tust du gerade?
    Ich schaue mich im Halbdunkel der Erdgeschosswohnung um. Berge von Müllsäcken und Tüten. Es ist unmöglich, sich zu verstecken, ohne Geräusche zu machen, zu rascheln, zu knistern.
    Der Hund scheint den Eindringling zu mögen, jedenfalls höre ich kein Bellen und kein Knurren. Plötzlich kommt mir der Gedanke, dass Napoleon wieder betäubt wurde, so wie neulich. Aber so schnell kann das doch nicht gehen, oder?
    Es raschelt im Nebenzimmer und ich versuche, mich zu erinnern, was dort herumliegt, aber das ist natürlich zwecklos. In jedem Zimmer liegt von allem etwas, ein System gibt es nicht.
    Das Rascheln vermischt sich mit einem Tappen und kommt in meine Richtung. Unwillkürlich weiche ich zurück, verheddere mich in

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