Dann klappt's auch mit dem Doktor
meinen Scheibenwischer. Ich traue meinen Augen kaum: fünfundzwanzig Euro! Wutentbrannt steige ich in mein Auto und fahre nach Hause. Fünfundzwanzig Euro! Was soll das sein? Der neue Arzttarif? In der Regel werfe ich diese lästigen Zettel, die ständig grundlos an mein Auto geheftet werden, erst mal weg und warte ab. Aber diesmal werde ich mich beschweren. Meine Güte, fünfundzwanzig Euro für eine Viertelstunde Parken.
Vorsichtig stelle ich meinen Wagen in dritter Reihe auf dem Bürgersteig vor meiner Haustür ab. Hier sieht es mit Parkplätzen nämlich, ehrlich gesagt, nicht besser aus. Kreatives Parken ist halt angesagt.
»Fräulein Plüm! Fräulein Plüm!« Die empört schrille Stimme meiner Nachbarin Frau Beier schreckt mich schon vor der Haustür auf. »Fräulein Plüm! Das geht so nicht!«
Was ist denn nun schon wieder?
»Ich fahre den Wagen morgen um sieben weg. Sie wissen doch, dass es keine anderen Parkplätze gibt.«
»Das Auto ist doch völlig wurscht. Das Fahrrad! Das Fahrrad!«, japst Frau Beier, »Sie können Ihr Fahrrad nicht im Hausflur abstellen! Das dürfen nur Frau Kramer, Frau Mayer und ich! Wir haben eine Sondergenehmigung der Hausverwaltung!«
Hinter der Haustür im Hausflur gibt es eine Nische, in die vier bis fünf Fahrräder passen. Bisher standen dort immer die Räder der drei hausältesten Damen. Da ich ab und zu Rückenprobleme habe und man ein Fahrrad nun mal nicht rückenschonend in den Keller tragen kann, habe ich meins einfach in die riesige Nische dazugestellt.
»Fräulein Plüm! Ihr Fahrrad muss da weg! Nur wir Ãlteren dürfen unsere Räder dort hinstellen!«
»Die Nische ist doch groà genug für alle Fahrräder, und meins ist mir einfach zu schwer, um es jedes Mal hinunter in den Keller zu tragen.«
Mein Einwand wird ruckzuck abgebügelt: »Nein, nur wir Ãlteren dürfen das! Wir haben eine Sondergenehmigung von der Hausverwaltung!«
Ich habe keine Lust auf eine längere Diskussion mit der alten Hexe. Es ist kurz vor Mitternacht, und ich bin müde. Wieso ist die überhaupt noch wach?
»Ja, Frau Beier, danke für den Hinweis. Mein Fahrrad kommt woanders hin.«
Aber wohin nur? Fahrradständer haben wir keine vor dem Haus. Mein letztes Rad, das ich immer an den Vorgartenzaun gekettet hatte, wurde mir prompt gestohlen. Am heiligen Sonntag! Am helllichten Tag! Und das, obwohl Frau Beier den ganzen Tag, wenn sie nicht gerade im Hausflur spioniert, vom Fenster aus die StraÃe beobachtet. Sie müsste damals eigentlich was gesehen haben. Das bestreitet sie allerdings bis heute. Wohin also mit meinem Fahrrad? Ganz runter in den Keller? Unmöglich! Da hebe ich mir einen Bruch. Als halbwegs optimale Lösung bietet sich der Kellervorraum an. Nicht so weit unten, nicht so viele Stufen und viel Platz. Um mir für heute weiteren Ãrger vom Hals zu halten, schleppe ich mein Fahrrad dorthin.
Kapitel 14
Eine gute Woche später habe ich endlich wieder meine eigene Moby-Fit -Sprechstunde und muss mich nicht bei Denners Gequatsche krampfhaft wach halten. Auf dem Weg von der Notaufnahme in die Ambulanz mache ich mir so meine Gedanken über Moby Fit : Till macht sich mittlerweile immer darüber lustig.
»Na, wie warâs heute mit den Fettis?«
Fettis! Also bitte! Gut, hundertzweiundzwanzig Kilo auf hundertvierzig Zentimeter, das ist schon moppelig. Adipös halt. Aber Fettis, das ist gemein. Ãbergewicht bei Jugendlichen ist ein groÃes Problem. Viele unserer Moby Dick ies leiden schon unter Folgeerkrankungen wie Altersdiabetes, erhöhten Blutfettwerten, Bluthochdruck, Arterienverkalkung oder Gicht. Die Gelenke sind überlastet, die Gefahr eines Herzinfarktes hoch, die Lebenserwartung gesenkt und die Kosten für das Gesundheitssystem immens. Weil das sogar die Krankenkassen eingesehen haben, unterstützen sie die Adipositas-Schulungsprogramme. Dumm nur, dass in den aktuellen Gruppen im letzten halben Jahr kein einziger Teilnehmer so richtig abgenommen hat.
»Guten Morgen, Frau Plüm«, unterbricht Frau Goldstein meine leicht deprimierende Grübelei, »hier sind Ihre Post und ein Kaffee.« Sie strahlt wie immer.
»Vielen Dank.«
Ich klemme mir die Post unter den Arm und öffne, in der einen Hand den Kaffee, in der anderen meine Tasche, vorsichtig die Tür zu meinem bzw. unserem Büro. Dort wartet
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